Drittgrößter Versicherer will weltweite Größe in der Industriedeckung werden· Angriff auf die Allianz
Von Herbert Fromme, Hannover
Der drittgrößte deutsche Versicherungskonzern Talanx hält die Folgen der Krise für überwunden und schaltet jetzt auf Angriff: Er will den Rivalen Allianz im zentralen Geschäftsfeld Industrieversicherung stellen. „Wir sind mit der Allianz in Deutschland auf Augenhöhe“, sagte Konzernchef Herbert Haas am Firmensitz in Hannover. „Der Kampfauftrag an die Industrieversicherer lautet jetzt, ein Global Player zu werden.“
In der Industrieversicherung geht es um die Absicherung von Konzernen wie VW, Bayer, Siemens oder Nestlé gegen Schäden. Talanx, früher HDI, betrieb ursprünglich nur diese Königsklasse der Assekuranz. Seit der Übernahme des Rivalen Gerling 2006 kann der Konzern in Deutschland wieder mit den Wettbewerbern Allianz, Zurich oder Axa mithalten und sieht sich als die eigentliche Nummer eins. International ist das freilich anders: Da hat die Konkurrenz aus München die Nase vorn. Auch andere wollen das langfristig lukrative Geschäft mit der Großindustrie ausbauen, darunter der Rückversicherer Munich Re.
Der langjährige Industrieversicherungsvorstand Christian Hinsch, seit Kurzem Vizechef, kündigte den weiteren Ausbau des Auslandsnetzes an – zusätzlich zum bestehenden Kooperationsabkommen mit dem britischen Anbieter Royal Sun Alliance. In seinem Geschäftsfeld erwartet Hinsch in diesem Jahr 2,5 Mrd. Euro Prämie, ein leichtes Minus von 0,7 Prozent. Das ist eine Folge der Krise und ihrer Auswirkungen auf die Industrie. Der Branche sagte Hinsch für 2010 einen Rückgang von fünf bis zehn Prozent voraus – wenn die Kunden weniger Umsatz machen, zahlen sie auch weniger Beiträge. „Wir rechnen mit minus einem Prozent, weil wir das im Ausland ausgleichen“, so Hinsch.
Die Entwicklung in der Industrie- und Rückversicherung sieht Konzernchef Haas als Erfolgsgeschichte. Unzufrieden ist er dagegen mit dem Privatkundengeschäft in Deutschland. Seit Jahren sinkt die Zahl der Verträge. Zu hohe Kosten und die komplexe Struktur behindern das Wachstum. Jetzt soll Heinz-Peter Roß, der im Sommer vom Konkurrenten Axa abgeworben wurde, als Verantwortlicher Abhilfe schaffen. Roß sagte, bei den Lebensversicherern Aspecta und HDI-Gerling in Köln fahre die Gruppe einen deutlichen Sparkurs, „und der ist auch dringend nötig“. Die Kosten seien viel zu hoch.
Gleichzeitig wird Talanx die erst vor zwei Jahren geschaffene Struktur von Zwischenholdings wieder eindampfen. Von vier Holdings bleibt nur die für das Auslandsgeschäft erhalten, die anderen drei werden aufgelöst. Der Vermögensverwalter Ampega Gerling und die Hannover Rück sind nicht betroffen. Der Umbau wird aber nun doch Einfluss auf die Beschäftigtenzahl haben. „Es wird einigen Personalabbau geben, der aber sehr bescheiden ausfallen wird“, sagte Konzernchef Haas. Ob es sich um 10, 50 oder 200 Stellen handele, könne noch niemand sagen. Weltweit hat Talanx 17 700 Angestellte.
Für 2009 rechnet Talanx mit Bruttoprämien von 20,6 Mrd. Euro, ein Anstieg um 8,2 Prozent. Ein großer Teil des Wachstums stammt aus der Übernahme eines großen Bestands in den USA durch die Tochter Hannover Rück. Wegen deutlich höherer Kapitalerträge und einer günstigeren Steuerquote rechnet Talanx mit einem Konzernergebnis von 522 Mio. Euro nach 187 Mio. Euro im Krisenjahr 2008.
Am Börsengang, den sich Talanx seit elf Jahren vornimmt, hält Haas fest, einen Zeitpunkt will er aber nicht nennen. Er hänge von der Marktlage ab. „Der Grund für den Börsengang ist einfach: Ich brauche Geld“, sagte Haas. Das Unternehmen müsse langfristig in der Lage sein, die Kapitalmärkte anzuzapfen, um sein Wachstum zu finanzieren. Noch könne er über Kreditlinien Zukäufe über 1 Mrd. Euro stemmen, aber 6 Mrd. Euro oder mehr, wie sie gerade von AIG für die Lebensversicherungstöchter gefordert werden, seien außerhalb der Talanx-Reichweite.
Talanx gehört zurzeit dem HDI Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, in dem die deutsche Industrie den Ton angibt. Der Verein soll auf jeden Fall 50,1 Prozent an Talanx behalten, Talanx seinerseits will die 50,2 Prozent an der Rückversicherungstochter Hannover Rück nicht aufgeben. Sie ist bereits börsennotiert.
Quelle: Financial Times Deutschland
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