Betriebe, die keine Kredite bekommen, wollen ihre offenen Rechnungenverkaufen. Doch die Abnehmer können nicht so viel Geschäft machen, wie sie gernewürden
VON Friederike Krieger
und Laura Schon
Nach dem endgültigen Aus für das Versandhaus Quelle Ende Oktober standen für Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg die Schuldigen schnell fest: Sie hießen Valovis-Bank, Commerzbank und BayernLB. Die drei hatten bisher das Factoring für den Versandhändler übernommen. Ihre Weigerung, den Forderungsankauf über das Jahresende hinaus zu garantieren, habe potenzielle Investoren verschreckt, so Görg. Ohne gesichertes Factoring funktioniere der Versandhandel eben nicht.
Factoringanbieter kaufen offene Forderungen von Firmen, im Fall von Quelle die ausstehenden Rechnungen der Kunden. Unternehmen erhalten den größten Teil des Geldes in der Regel sofort und den Rest, wenn der Kunde gezahlt hat. Dafür entrichten sie eine Grundgebühr, die sich an der Höhe der Forderung bemisst, und einen Zins, der sich an den Geldmarktsätzen orientiert. Große Factoringanbieter sind der Kreditversicherer Coface, Eurofactor, Heller Factoring, die Postbank, Südfactoring, Fortis und IFN. „Die Firmen stellen sich durch das Factoring so, als würden alle Kunden schon nach 48 Stunden ihre Rechnungen bezahlen“, sagt Alexander Moseschus, Geschäftsführer des Deutschen Factoring-Verbands. Wenn ein Schuldner nicht zahlt, kümmert sich der Factoringanbieter um die Realisierung der Forderungen.
Für Firmen ist dieses Geschäftsmodell gerade in der Krise interessant, denn damit bekommen sie schnell Geld in die Kasse. „Da die Liquiditätsprobleme der Unternehmen zunehmen, ist Factoring jetzt wichtiger denn je“, sagt Reinhard Kudiss, beim Bundesverband der Deutschen Industrie verantwortlich für Unternehmensfinanzierung. Die 26 Mitglieder des Factoring-Verbands meldeten für das erste Halbjahr 2009 denn auch einen Anstieg ihrer Kundenzahlen um 47 Prozent auf 8700. „Viele Unternehmen, die keine Kredite mehr von ihrer Bank bekommen, haben sich für Factoring entschieden“, sagt Moseschus. Er rechnet damit, dass die Zahl der Neukunden Anfang 2010 sprunghaft ansteigen wird, wenn die Firmen ihre Berichte für das Jahr 2009 vorlegen. „Vor allem die Bilanzen der Mittelständler werden zum Teil so verheerend aussehen, dass die Banken ihnen die Tür zeigen werden“, sagt er.
Doch Abnehmer für offene Rechnungen zu finden, ist gar nicht so einfach. „Die Anbieter schauen in der Krise genauer hin“, sagt Moseschus. Sie achten noch mehr darauf, Rechnungen von solventen Schuldnern zu übernehmen. Und dafür wollen sie mehr Geld. „Wenn die Refinanzierungskosten steigen, verteuern sich auch die Zinsen für das Factoring“, sagt Moseschus.
Die Krise verschont auch die Profis für Außenstände nicht. Ihr Umsatz ist im ersten Halbjahr 2009 um rund 15 Prozent auf 43,3 Mrd. Euro eingebrochen – der erste Rückgang, den die Branche seit 1977 verkraften muss. „Hier spiegeln sich die Umsatzeinbrüche bei den Bestandskunden wider“, sagt Moseschus. Haben die Kunden weniger Aufträge, verkaufen sie auch weniger Rechnungen. In manchen Branchen verzeichneten die Factoringgesellschaften Umsatzeinbrüche von mehr als 40 Prozent. Die Metallerzeugung und -verarbeitung, ehemals größter Umsatzbringer, stürzte im Ranking der 19 wichtigsten Factoringbranchen auf Platz zehn.
Weil die Stammkundschaft schwächelt, wagen sich manche Aufkäufer in neue Gefilde vor. Sie bieten jetzt auch Unternehmen der Bauwirtschaft ihre Dienste an. „Die Baubranche galt wegen der Einredebehaftung bisher eher als No-Go-Branche“, sagt Moseschus. Hier kann es lange nach der Fertigstellung zu Reklamationen und damit zu Rechnungskorrekturen kommen, was die Abwicklung für Factoringanbieter kompliziert macht. Nach wie vor haben Betriebe aus der Baubranche große Probleme, Abnehmer für ihre Rechnungen zu finden, sagt Alexander Barthel, Chefvolkswirt des Zentralverbands des Deutschen Handwerks. „Für sie gibt es noch zu wenige Angebote auf dem Factoringmarkt.“
Kein Wunder, denn die Aufkäufer hängen stark von den Entscheidungen anderer Branchen ab. Die krisenbedingte Zurückhaltung der Kreditversicherer engt ihre Möglichkeiten ein. Die Versicherer nehmen den Factoringfirmen das Risiko weitgehend ab, wegen der Pleite des Kunden selbst auf der offenen Rechnung sitzen zu bleiben. Voraussetzung für einen Factoringvertrag ist der Abschluss einer Kreditversicherung.
Mindestens genauso viele Schwierigkeiten bereitet der Factoringbranche das Problem, sich selbst zu refinanzieren. Einige Anbieter haben bereits angekündigt, sich aus dem Markt zurückzuziehen. Der Factoring-Verband will aus diesem Grund erreichen, dass das KfW-Sonderkreditprogramm auch für Rechnungsaufkäufer geöffnet wird.
An einem anderen Punkt ist die Regierung der Branche bereits entgegengekommen. Seit der Unternehmenssteuerreform 2008 müssen Kunden 25 Prozent der Zinsen, die sie an einen Factoringanbieter oder eine Bank zahlen, ihrem gewerblichen Gewinn zurechnen und versteuern. Auch Factoringanbieter mussten für ihre Refinanzierungskosten Gewerbesteuer zahlen, Banken dagegen nicht. Die Regierung hat inzwischen auch den Factoringanbietern das sogenannte Gewerbesteuerprivileg zuerkannt. Im Gegenzug stimmten die zu, sich von der Finanzaufsicht BaFin überwachen zu lassen. Die Kunden könnten sich bei der BaFin jetzt informieren, ob ein Unternehmen bei der Aufsicht registriert ist – und so vermeiden, an schwarze Schafe zu geraten. Das Gewerbesteuerprivileg gilt aber nur für Anbieter, die ausschließlich Factoring betreiben. Viele Firmen sind auch Kreditversicherer oder bieten noch Zusatzleistungen zum Factoring an.
Quelle: Financial Times Deutschland
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