Assekuranz hat bei Schäden kaum Musterurteile
Die neuen Regeln zum Wegfall des Prinzips „Alles oder nichts“ bei Schadenfällen und die Einführung der sogenannten Quotelung führen zu Unsicherheit in der Schadensabwicklung. Es gibt bislang mangels Urteilen keinen Rahmen, wie die Quotelung – die teilweise Begleichung des Schadens – gehandhabt wird. „Wir hatten mit einer Prozesswelle gerechnet, jetzt müssen wir lange nach Fällen suchen“, sagte der Richter am Bundesgerichtshof Joachim Felsch auf einer Tagung des Bundes der Versicherten.
Jahrzehntelang mussten in Deutschland Versicherer bei einem Schaden nichts zahlen, wenn der Kunde ihn grob fahrlässig verursacht hatte. Nach der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes im Jahr 2008 müssen die Versicherer bei grob fahrlässigem Verhalten des Kunden einen Teil zahlen. Davor galt zum Beispiel, dass der Kaskoversicherer nicht für den entstandenen Schaden aufkommen musste, wenn der Kunde mit dem Auto über eine rot Ampel gefahren war. Heute hat der Halter Recht auf die Zahlung eines – vom Gesetzgeber indes nicht präzisierten – Teils des Schadens.
Da die Prozesswelle ausgeblieben ist, gibt es bislang kaum rechtlich vorgegebene Quoten. Theoretisch werden verschiedene Fälle und mögliche Musterquoten ausgiebig diskutiert, sagte Felsch. Die Versicherer versuchten, in der juristischen Fachliteratur Pflöcke einzuschlagen – in der Hoffnung, dass Richter unterer Instanzen bei konkreten Fällen darauf zurückgreifen. „Was wirklich herauskommen wird, entscheiden aber höchstgerichtliche Urteile“, sagte Felsch.
Eine Möglichkeit könnten Musterquoten sein, wie sie etwa eine Arbeitsgruppe des Verkehrsgerichtstags diskutiert hat. Danach werden Schäden je nach Grad der groben Fahrlässigkeit des Versicherten in 25-Prozent-Schritten reguliert. Im Gespräch ist auch eine sogenannte Einstiegsquote von 50 Prozent bei grober Fahrlässigkeit. Sie läge damit deutlich über den 10 bis 30 Prozent, die etwa die Versicherer in der Schweiz, die Erfahrungswerte in der Quotelung haben, bei grober Fahrlässigkeit abziehen.
Anja Krüger
Quelle: Financial Times Deutschland
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