Warum Autohersteller Rückrufaktionen in der Regel nicht versichern
Von Friederike Krieger
Beim Autohersteller Toyota reißt die Pannenserie nicht ab. Ein Rückruf jagt den Nächsten. Erst klemmten Gaspedale, dann machten rutschende Fußmatten und kurzzeitig aussetzende Bremsen Probleme. Jetzt müssen auch rostende Minivans und Lexus-Geländewagen mit Stabilitätsproblemen zurück in die Werkstätten.
Die Kosten muss Toyota erst einmal aus eigener Tasche zahlen. Die Produkthaftplichtpolice, die der Autohersteller beim japanischen Versicherer Aioi abgeschlossen hat, deckt die Rückrufe nicht ab. Allein die klemmenden Gaspedale schlagen mit rund 1,4 Mrd.Euro für Reparaturen und Verkaufsausfälle zu Buche.
Anders als etwa Kaffeemaschinenhersteller können sich Autobauer nicht gegen eigene Produktrückrufe versichern. Trotzdem sind diese ein Problem für die Assekuranz. „Oft fällt ein Rückruf in den Verantwortungsbereich des Kfz-Zulieferers“, sagt Hans-Theo Kuhl vom Industrieversicherer Axa Corporate Solutions. Die üblichen Produkthaftpflichtverträge der Kfz-Zulieferer schließen Rückrufaktionen zwar aus, aber viele haben sich über spezielle Kfz-Rückrufkostenpolicen gegen das Risiko versichert. Abgedeckt sind im Wesentlichen aber nur die Kosten, um die vom Rückruf betroffenen Kfz-Halter zu informieren, sowie der Lohn für den Austausch defekter Teile. Die neuen Teile muss der Zulieferer selbst bezahlen.
Die Industrie ist mit dieser Regelung nicht glücklich. Sie beobachtet mit Sorge die Entwicklungen auf dem Markt für die Rückrufkostenpolicen der Zulieferer. „Insbesondere mittelständische Unternehmen berichten immer wieder von erheblichen Schwierigkeiten, bezahlbaren und ausreichenden Versicherungsschutz auf dem nationalen beziehungsweise internationalen Markt zu finden“, erklärt Alexander von Gersdorff, Sprecher des Verbands der Automobilindustrie.
Während Kfz-Rückrufe in den USA seit Jahren zunehmen, gibt es in Deutschland einen gegenläufigen Trend. Von 2006 bis 2009 sank die Zahl der sicherheitsrelevanten Rückrufe von 167 auf 140. Für die Versicherer bedeutet das aber nicht unbedingt weniger Schäden. Denn das Verhalten der Autohersteller hat sich durch die Krise verändert. „Sie versuchen, mehr Haftungsansprüche gegenüber ihren Zulieferern geltend zu machen“, sagt Markus Orth von Axa Corporate Solutions. Das geht wiederum zulasten der Produktrückrufkostenpolicen der Zulieferer und damit der Industrieversicherer.
„Die Versicherer haben Respekt vor diesem Produkt“, sagt Alfred Henneböhl vom Industrieversicherer Allianz Global Corporate & Specialty. Entgegen dem Trend zu sinkenden Preisen in der Industrieversicherung sind die Prämien für die Rückrufkostenpolicen der Zulieferer bisher relativ stabil geblieben. „Der Toyota-Rückruf könnte einen preissteigernden Effekt haben“, sagt er.
Etliche US-Autoversicherer haben sich inzwischen mit Regressansprüchen an Toyota gewandt. Sie vermuten, dass einige Unfälle, für die sie zahlen mussten, auf klemmende Gaspedale zurückzuführen sind. „Das wäre ein Fall für die Produkthaftpflichtpolice des Autoherstellers“, erklärt Henneböhl.
Die Pannenserie könnte auch zu einem D&O-Schaden werden. Mit den Managerhaftpflichtpolicen sichern Firmen Vorstände und Aufsichtsräte gegen Haftungsansprüche aufgrund von Pflichtverletzungen ab. In den USA laufen derzeit die Vorbereitungen für eine Sammelklage gegen Toyota auf Hochtouren. Die Kläger werfen dem Toyota-Management unter anderem vor, zu spät vor den Mängeln an den Autos gewarnt zu haben. Aus diesem Grund hat das US-Verkehrsministerium den Hersteller bereits zu einer Rekordstrafe von 16,4 Mio. $ verdonnert.
Quelle: Financial Times Deutschland
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