Anders als erwartet müssen Industriekunden nur wenig für die neue Deckung zahlen. Anbieter sehen nach den ersten Fällen hohes Schadenpotenzial
Den berüchtigten Feldhamster hat es tatsächlich getroffen. Die Arbeiten in einem Neubaugebiet zerstörten seinen Lebensraum, jetzt wird die Population unter wissenschaftlicher Begleitung anderswo neu angesiedelt. Und ein Versicherer muss dafür zahlen.
Drei Jahre nach der Einführung verzeichnet die Versicherungswirtschaft die ersten Schäden aus der neuen Umweltschadensversicherung. Die Katastrophenszenarien aus der Anfangszeit haben sich nicht bewahrheitet – noch nicht. Der Feldhamster, bislang Synonym für die Verniedlichung des Risikos, könnte zum Menetekel werden. Denn die Assekuranz klagt über mangelndes Problembewusstsein der Industrie.
Die Umweltschadensversicherung ist die Antwort auf das neue Umweltschadensgesetz. Es verlangt seit 2007 von Unternehmen, dass sie Schäden ausgleichen, die sie an Pflanzen, Tieren und deren Lebensräumen verursachen. Für Betriebe bedeutete das eine ganz neue Art der Haftung und für die Versicherer ein bislang unwägbares Risiko. Für aussagekräftige Statistiken sind Gesetz und Police noch zu jung. „Bei der Schadensabschätzung schwimmen alle Beteiligten noch“, sagt Georg Klinkhammer, Haftpflichtexperte beim Deutschen Versicherungs-Schutzverband (DVS).
Die Wahrnehmung über tatsächlich eingetretene Schadensfälle ist bei Versicherungsnehmern und -gebern ganz unterschiedlich. Während der DVS mutmaßt, dass es keine spektakulären Vorfälle gegeben habe, halten die Versicherer eine ganze Reihe von Beispielen parat.
Diese Diskrepanz liege zum Teil daran, dass viele Fälle gar nicht unter dem Stichwort Umweltschaden bekannt werden, meint Karl-Martin Wischott, Risikoberater Haftpflicht bei Axa. Der Versicherer hat zwei Schadenschwerpunkte ausgemacht. Zum einen ist es die Landwirtschaft, etwa mit Gülleeinleitungen, die zu Gewässerschäden führen. Zum anderen resultieren viele Schäden aus Feuer und Explosionen. Dabei verursache das Feuer die viel höheren Kosten als der Umweltschaden, und entsprechend werde der Fall verbucht.
Die ersten Fälle hätten bereits das enorme Schadenpotenzial deutlich gemacht, sagt Christian Diedrich, Vorstand der Ergo Versicherungsgruppe. „Für jeden, den es getroffen hat, war es eine existenzielle Frage.“ So bewirkte kontaminiertes Löschwasser aus dem Brand eines Reifenhandels eine massive Anreicherung von Schadstoffen in den Böden und Gewässern der Umgebung, die Sanierung könnte am Ende Millionen kosten.
Die Zerstörung der Feldhamster-Bauten sieht er als typisches Beispiel für das größte Problem bei der Umweltschadensversicherung. „Die Deckung ist mittlerweile etabliert, mit dem Bewusstsein für die Gefahren ist es eine andere Sache.“ So habe niemand daran gedacht, das Neubaugebiet auf solche Umweltrisiken vorab zu untersuchen.
Fehlendes Bewusstsein für die neue Haftungslage hat Wischott von der Axa auch bei den zuständigen Behörden ausgemacht. „Bei einigen ist das Thema noch nicht angekommen, und sie denken bei bestimmten Schäden noch nicht gleich an das Umweltschadensgesetz.“ Firmen blieben damit möglicherweise von berechtigten Ansprüchen verschont.
Trotzdem hat heute praktisch jeder Betrieb die Umweltschadenspolice. Das liegt vor allem an den niedrigen Prämien für die sogenannte Grunddeckung, die Schäden am eigenen Gelände allerdings ausschließt. Viele Kunden hätten es sogar geschafft, die neue Deckung ohne Zusatzkosten an ihr Haftpflicht-Paket anzuhängen, berichtet Jürgen Reinschmidt vom Makler Willis. Beschweren wollen sich die Versicherer nicht über das Prämienniveau. „Im Moment sieht es so aus, als ob wir damit auskommen“, sagt Ergo-Vorstand Diedrich.
Einen Wunsch haben Industriekunden aber noch: Sie wollen auch Schäden, die aus dem Normalbetrieb heraus entstehen, versichert sehen. Bislang sind in den meisten Policen nur Schäden aus Störfällen abgedeckt. Und die Versicherer möchten auch, dass dies so bleibt. Für Makler Reinschmidt ist dagegen klar, dass der Ausschluss über kurz oder lang fallen wird. „Ob das aber jemals Relevanz haben wird, weiß noch niemand ganz genau.“
Katrin Berkenkopf
Quelle: Financial Times Deutschland
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