Weniger Einnahmen, mehr Pflichten – der Fusionsdruck auf kleinere Maklernimmt zu. Wenn das Provisionsabgabeverbot fällt, könnte auch die Zahl derfirmeneigenen Vermittler sinken
VON Friederike Krieger
und Ilse Schlingensiepen
Firmenverbundene Versicherungsvermittler haben in der Krise nach eigener Ansicht an Bedeutung gewonnen. Ihr Händchen in Sachen Risikomanagement und ihre Urteilskraft sind gefragter denn je, glauben sie – eine Auffassung, die nicht von der ganzen Branche geteilt wird.
Bedeutung haben sie gerade bei der Auswahl der Versicherer, sagt Stefan Sigulla, Versicherungschef bei Siemens und Vorsitzender des Deutschen Versicherungs-Schutzverbandes. Der Verband vertritt die Interessen der Industrie in Versicherungsfragen. „Die Finanzkrise hat das Bewusstsein geschärft, dass auch im Versicherungsbereich ein Counterparty-Risiko besteht.“
Vor der Krise seien viele Unternehmen der Ansicht gewesen, ein Risiko bestehe für die Firma nicht mehr, sobald es versichert ist. „In der Krise ist klar geworden, dass sich das Risiko dadurch nur gewandelt hat“, sagt Sigulla. Die Vermittler müssten deshalb die Finanzkraft des Versicherers im Blick haben, um sicherzustellen, dass er im Schadensfall zahlen kann. „Früher haben wir eher auf die Bedingungen und Preise von Policen geschaut, jetzt prüfen wir auch unsere Versicherungspartner intensiver.“
In der Industrieversicherung läuft fast kein Geschäft ohne Makler ab, die Verträge sind großvolumig und sehr komplex. Firmenverbundene Vermittler sind hier eine feste Größe – zumindest in Deutschland. Die rund 200 Firmen vermitteln 40 Prozent bis 60 Prozent des Prämienvolumens von gut 20 Mrd. Euro. Fast jeder Großkonzern besitzt einen eigenen Versicherungsmakler. Sie dokumentieren, welche Risiken im In- und Ausland für ihre Muttergesellschaft bestehen und wie der Konzern am besten damit umgeht. Für Risiken, die versichert werden müssen, organisieren die Vermittler Versicherungsschutz, meist in Kooperation mit Großmaklern wie Aon Jauch & Hübener, Marsh und Willis. „Gerade international aufgestellte Maklerorganisationen gewährleisten, dass die Kunden ordentlich begleitet werden“, erklärt Ralph Liebke, Deutschlandchef von Aon.
Der Vorteil der firmenverbundenen Vermittler gegenüber externen Maklern sei ihre Insider-Stellung, sagt Hans-Otto Geiger. Er ist erster Vorsitzender des Bundesverbandes firmenverbundener Versicherungsvermittler und -gesellschaften und Chef der Frankenthaler Palatina Versicherungsvermittlung, die dem Pumpenhersteller KSB gehört. Wenn ein Unternehmen etwa eine Akquisition plant, ist es erforderlich, dass die Auswirkungen des Zukaufs auf den Versicherungsschutz im Haus analysiert werden. „Solche Informationen sind topgeheim“, sagt Geiger. „Die kann man unmöglich an einen Makler herausgeben.“
Unternehmenseigene Vermittler können bei der Muttergesellschaft allerdings zu Compliance-Problemen führen. Wie jedes andere Unternehmen auch sollen die Makler Gewinne erwirtschaften. Daraus können Interessenkonflikte mit dem Mutterhaus entstehen. Der Energiekonzern RWE hat seinen firmenverbundenen Vermittler Rhenas deshalb Anfang 2008 aufgelöst. Eine Welle von Schließungen ist aber nicht gefolgt. Der Großteil der Konzerne hält das Compliance-Problem für beherrschbar.
Die meisten firmeneigenen Makler wurden in den 60er-Jahren errichtet. Ein Grund war das Provisionsabgabeverbot. Die Versicherungsabteilungen der Firmen hatten vom Risikomanagement bis zum Policeneinkauf immer mehr Aufgaben übernommen, die sonst Makler erledigen, erhielten wegen des Verbots aber keine Provisionen von der Assekuranz. Danach darf ein Versicherer Provisionen nur Maklern und Vermittlern zahlen, und die dürfen diese Zahlungen nicht mit dem Kunden teilen. Deshalb wurden aus den Abteilungen Maklerfirmen.
Das Provisionsabgabeverbot besteht zwar immer noch, ist aber unter Beschuss. Der EU-Kommission ist es genauso ein Dorn im Auge wie dem Bundeskartellamt, das die Vorschrift Ende vergangenen Jahres bemängelt hat.
Mit Aufhebung des Verbots würde ein wichtiger Grund für die Existenz firmeneigener Makler wegfallen. „Es kann passieren, dass die Firmen dann aus ihren Maklern verstärkt wieder Versicherungsabteilungen machen“, sagt Geiger. Bei manchen Gesellschaften sei das auch nicht bedauerlich. „Wenn ein Vermittler nur als Provisionsabgabestelle fungiert, kann man ihn ebenso gut auflösen“, sagt er. Bei Gesellschaften, die inhaltlich gut arbeiten, gebe es dafür keine Gründe. Die Beschaffung von internationalem Versicherungsschutz funktioniere nur, wenn die Versicherungseinkäufer ihren Maklerstatus behalten. So zahlen manche ausländische Versicherer nur an Vermittler Provisionen.
Nach Ansicht von Hans-Georg Jenssen dürften die Tage der firmenverbundenen Vermittler hingegen gezählt sein. Jenssen ist geschäftsführender Vorstand des Verbandes Deutscher Versicherungsmakler (VDVM). Seit Inkrafttreten der EU-Vermittlerrichtlinie 2007 haben sich die Beratungs- und Dokumentationspflichten für Makler verschärft. „Da fragen sich einige Unternehmen schon, ob sich ein eigener Vermittler angesichts dieses Aufwands noch lohnt“, sagt Jenssen.
Mit den neuen Pflichten aus der Vermittlerrichtlinie haben aber auch viele kleine externe Makler Probleme. Sie haben mehr Arbeit, während ihre Einnahmen durch den Prämienverfall im Industrie- und Gewerbegeschäft sinken. Das könnte Zusammenschlüsse bei kleinen Firmen fördern. Liebke von Aon sieht zwar keine große Konsolidierungswelle im Markt. „Es würde mich aber nicht überraschen, wenn es zu Übernahmen und zu Zusammenschlüssen kommt“, sagt er. Wegen der Krise befänden die Makler sich in einer schwierigen Phase. „Da könnte es für kleinere und mittelgroße Makler schwer werden. Bei den Platzhirschen im Industriebereich sehe ich aber keine Probleme.“
Aon selbst kauft kleine Spezialmakler hinzu, sieht das aber nicht als Trend. „Ich glaube, dass der Weg nicht darin liegen kann, nur Firmen zuzukaufen. Wir sehen noch viel Raum für organisches Wachstum“, sagt Liebke. So gebe es bei Mittelständlern noch erhebliche Ausbaumöglichkeiten.
Quelle: Financial Times Deutschland
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