Die Branche geht das Wachstumsthema Nachhaltigkeit unterschiedlich an
Von Friederike Krieger
Das Projekt ist ehrgeizig: Eine Stadt mit 50 000 Einwohnern, die ihren Strombedarf ausschließlich aus erneuerbaren Energien speist, kaum Abfall und fast keine CO2 -Emissionen produziert. Die Ökostadt Masdar City in Abu Dhabi soll das globale Zentrum zur Erforschung und Produktion erneuerbarer Energien werden. Rund 22 Mrd. Dollar lässt sich das Emirat die vom Stararchitekten Norman Foster entworfene Metropole kosten. Das Bauprojekt ist nicht nur Eldorado für Firmen aus dem Feld der erneuerbaren Energien, sondern auch für Unternehmensberater. „In den ersten zwei Jahren des Projekts waren wir federführend mit dabei“, sagt Gregor Harter, Partner bei Booz & Company. Die Unternehmensberatung hat etwa am Energie- und Transportkonzept von Masdar City mitgewirkt.
Berater sind aber nicht nur bei Umweltprojekten öffentlicher Auftraggeber gefragt. Energieeffizientes und ressourcenschonendes Wirtschaften wird auch für Unternehmen immer wichtiger. Nachhaltigkeit ist schon längst nicht mehr ein bloßes Prestigethema. „Es ist zu einem geschäftskritischen Aspekt geworden“, sagt Harter. Viele Einkäufer bewerten ihre Lieferanten inzwischen danach, wie umweltfreundlich sie sind. Die Mitarbeiter von Booz & Company helfen Firmen dabei, ihren CO2-Ausstoß zu ermitteln und zu reduzieren, oder unterstützen sie bei der Entwicklung grüner Produkte wie etwa Handy-Gehäusen aus Mais.
Green Consulting gewinnt für Unternehmensberater immer stärker an Bedeutung. Booz & Company ist seit drei Jahren auf diesem Gebiet tätig. Rund 300 Mitarbeiter kümmern sich dort weltweit um das Thema Nachhaltigkeit. Der Bereich erwirtschaftet drei bis fünf Prozent des globalen Umsatzes. „Es ist nur ein kleines Geschäftsfeld, aber es wächst dreimal so schnell wie die anderen Bereiche“, erläutert Harter.
Die Finanzkrise hat dem Green Consulting allerdings einen Dämpfer versetzt. „Viele Unternehmen haben Nachhaltigkeitsprojekte zugunsten von Kosteneinsparungs- und Sanierungsmaßnahmen zurückgestellt“, sagt Klaus Reiners vom Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU). Auch an Masdar City ist die Krise nicht spurlos vorbeigegangen. Abu Dhabi musste das in Schwierigkeiten geratene Nachbar-Emirat Dubai mit 26 Mrd. Dollar unterstützen. Den Entwicklern der Ökostadt wurde eine Denkpause verordnet, Norman Foster soll seine Pläne noch einmal überarbeiten. Reiners ist aber überzeugt, dass die Industrie ihre Nachhaltigkeitsprojekte wieder aufgreifen wird: „Das Geschäftsfeld wird für die Berater weiter an Bedeutung gewinnen.“
Otto Schulz, Partner bei A.T. Kearney, ist etwas anderer Ansicht: „Ich sehe keinen großen Markt für isoliertes Green Consulting“, sagt er. Statt hochtrabende Nachhaltigkeitsstrategien zu verkaufen, sei es sinnvoller, einzelne Aspekte in die reguläre Beratung einfließen zu lassen. Wenn etwa ein Sportartikelhersteller bei seiner Einkaufsstrategie Rat suche, könne man nebenher auch den Verzicht auf Kinderarbeit ansprechen.
„Nachhaltigkeit und normale Geschäftstätigkeit gehören untrennbar zusammen“, sagt Schulz. Es sei zum Beispiel nicht zielführend für einen Konzern, nur eine Nachhaltigkeitsabteilung zur Überwachung der anderen Geschäftsbereiche zu haben, die dann die Einkaufsabteilung rügt, weil sie Produkte aus Kinderarbeit bestellt habe. Der Fachbereich sollte die Nachhaltigkeitsaspekte seines Tuns direkt im Blick haben. A.T. Kearney verfügt denn auch über keine große Nachhaltigkeitsabteilung. „Wir haben keine separate grüne Spezialistentruppe“, stellt Schulz fest. Es gebe nur eine kleine Gruppe von drei bis vier Leuten, die das Wissen in dem Feld zusammenhalte. Stattdessen seien die Mitarbeiter entsprechend geschult, sodass sie auch die Nachhaltigkeitsaspekte ihres Fachgebiets gut kennen.
Ob es geboten ist, den Kunden darauf anzusprechen, hängt vom Thema der Beratung ab. Bei einem Chemiekonzern sei Nachhaltigkeit in der Produktion ein wichtiger Aspekt, im Einkauf der Rohstoffe dagegen weniger, erläutert Schulz. Die Berater finden bei ihren Kunden mit dem Thema indes nicht immer Gehör – für einige Unternehmen sind die kurzfristigen wirtschaftlichen Ziele wichtiger.
Quelle: Financial Times Deutschland
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