Konzern muss Industrie internationales Netz bieten · Vizevorstandschef Christian Hinsch im Interview
VON herbert fromme, Köln
Der Versicherungskonzern Talanx will sein Auslandsnetz in Asien und Südamerika ausbauen. „Wir wollen in Asien mit der Industrieversicherung am dortigen Boom teilnehmen“, sagte Vizechef Christian Hinsch der FTD. Dort sei Talanx heute noch zu schwach. Dasselbe gelte für Brasilien und die arabische Halbinsel. Das Unternehmen prüft Zukäufe und Neugründungen in der Region.
Die Expansion ist notwendig. So wird Talanx zwar von einem Versicherungsverein geführt, der unter Kontrolle der Industrie steht. Das heißt aber nicht, dass der Hannoveraner Konzern automatisch DAX-Konzerne und andere Unternehmen als Kunden gewinnt. Er muss ein internationales Netz vorhalten, das die Ansprüche global agierender Unternehmen befriedigt.
„Uns drohte der Verlust der Kundenverbindungen, weil wir sie nicht ausreichend ins Ausland begleiten konnten“, sagte Hinsch. Das Netz habe Talanx langfristig aufgebaut: „1996 hatten wir Töchter in acht Ländern mit 250 Mio. Euro Prämie in der Schaden- und Unfallversicherung“, sagte Hinsch. Heute seien es 28 Länder und 3 Mrd. Euro Auslandsprämie von Privat- und Unternehmenskunden.
Die Industrieversicherer müssen zwar weltweit aktiv sein. Doch die Prämien der deutschen Konzerne reichen nicht aus, um ein solch teures Netz zu unterhalten. „Wir mussten deshalb die eigene Expansion mit der Nutzung bestehender Netze intelligent mischen“, sagte Hinsch. Vorbild sei die Lufthansa mit der Star Alliance gewesen.
Als externes Netzwerk nutzt Talanx gegen Gebühr Büros der britischen Royal Sun Alliance (RSA). Zugleich baut die Gruppe Töchter auf, die durch das Versichern von Privatkunden sowie Firmen in deren Heimatländern – außer in den USA – die nötige kritische Masse erreichten. „Heute sind wir nicht mehr abhängig vom RSA-Netz, aber es ergibt ökonomisch Sinn, es zu nutzen“, sagte Hinsch weiter.
Mit Blick auf die Übernahme des Gerling-Konzerns vor vier Jahren sagte Hinsch, die Integration der Kölner Gruppe sei vollendet. In der Versicherung deutscher Konzerne, die mehr als 1 Mrd. Euro umsetzen, liege HDI-Gerling Industrie heute sogar vor dem großen Rivalen Allianz. Im gesamten Industrie- und Gewerbegeschäft auch mit kleineren Firmen liege der Münchner DAX-Konzern freilich noch vorn.
Trotz der seit Jahren sinkenden Preise hatten die Talanx-Industrieversicherer 2009 mit 250 Mio. Euro Gewinn gut verdient. „2010 wird schlechter, aber wir werden keinen Verlust schreiben“, sagte Hinsch. Der Preisrutsch sei gestoppt. „Aber die Preise steigen auch nicht, außer bei Unternehmen mit hoher Schadenbelastung.“
Trotz der relativen Schwäche des Marktes sei es richtig, zu expandieren. „Das Industriegeschäft muss man langfristig sehen“, so Hinsch. Die Industrie brauche Versicherer heute mehr denn je. Die milliardenteure Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko zeige eine Schwäche des BP-Konzeptes, möglichst gar keine Versicherung zu kaufen. „Wenn ein Unternehmen nicht versichert ist, kann es die Abwehr von Ansprüchen nicht auf einen Versicherer verlagern“, sagte er. „Aber genau diese Abwehr ist unser Geschäft, hier sind wir die Profis.“
Zwar seien die hohen Deckungssummen, die für ein Risiko wie Tiefwasserbohrungen nötig sind, in der Höhe kaum versicherbar. „Aber Versicherer hätten beraten können, damit das nicht so ein Riesenballon wird.“ Ob Talanx zurzeit Bohrungen in großen Tiefen abdecken würde, beantwortete Hinsch so: „Wie es jetzt aussieht, würde ich es nicht versichern wollen. Dann kann man auch ins Kasino gehen.“
Am Ziel, per Börsengang auch größere Übernahmen zu finanzieren, hält Talanx fest: „2010 ist nicht mehr möglich, aber 2011 wäre ein Börsengang denkbar“, so Hinsch. Erstmals angekündigt hatte Talanx seinen Börsengang Ende 1997.
Quelle: Financial Times Deutschland
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