Nur in Deutschland haben Konzerne eigene Vermittlerfirmen. Das 40 Jahre alteModell widersteht dem Druck von außen und ist erstaunlich robust
VON Patrick Hagen und
Herbert Fromme
Als der Pumpenhersteller KSB aus Frankenthal vor einigen Jahren einen Zukauf in den USA anstrebte, war das auch ein Fall für Hans-Otto Geiger. Er ist Chef der Palatina Versicherungs-Vermittlung, dem firmeneigenen Versicherungsvermittler von KSB. „Bei der Prüfung stellten wir fest, dass in dem Zielunternehmen versicherte und unversicherte Asbestrisiken in mehrfacher Millionenhöhe lauerten“, sagt Geiger. Zum Teil waren die Deckungssummen für die Schäden schon aufgebraucht – oder in neueren Versicherungsverträgen waren die Asbestschäden ausdrücklich ausgeschlossen. Ein Teil der Deckungen fiel schon deshalb aus, weil die entsprechenden Versicherer schon pleite waren oder nicht mehr existierten. „Der Verkäufer wollte auch keine Garantie geben, dass er die Schäden trägt“, sagt Geiger. „Das Ergebnis war: Wir haben die Firma nicht gekauft.“
Mit gutem Grund. Asbestschäden sind notorisch hoch und gleichzeitig schwer abzuschätzen. Die Warnung der Versicherungsexperten im eigenen Unternehmen hat dazu beigetragen, dass der Pumpenhersteller ein kaum beherrschbares Risiko nicht eingegangen ist.
Die Palatina Versicherungs-Vermittlung gehört zu einer Gattung von Unternehmen, der andere Marktteilnehmer schon mehrfach den Tod vorhersagten – den firmenverbundenen Vermittlern. Geiger ist erster Vorsitzender des Bundesverbands firmenverbundener Versicherungsvermittler und -gesellschaften (BfV).
Das System gibt es in dieser Form und Verbreitung nur in Deutschland. Doch von BMW bis Siemens besitzt fast jeder deutsche Großkonzern einen sogenannten firmenverbundenen Vermittler, meistens GmbHs mit fünf bis 50 Angestellten.
Das Modell kommt immer wieder unter Druck: Ein Argument ist die Compliance. Wie kann ein solches Unternehmen im besten Interesse der Mutter arbeiten, wenn es von Provisionen der Versicherer lebt, lautet das Argument. RWE löste deshalb 2008 den firmenverbundenen Vermittler RWE Rhenas auf und ersetzte ihn durch eine Versicherungsabteilung. Ähnlich ging Heidelberg Cement vor. Die große Auflösungswelle blieb aus. „Aber neue Gesellschaften kommen auch nicht hinzu“, sagte Geiger.
Gegründet wurden die meisten Gesellschaften von ihren Mutterkonzernen in den 60er-Jahren. Damit reagierten die Großkunden der Assekuranz auf die Tatsache, dass ihre Versicherungsabteilungen immer mehr Aufgaben übernahmen, die sonst Makler ausführen, aber dafür nicht bezahlt wurden, von der genauen Definition der Risiken bis zur Entwicklung von Versicherungsprogrammen. Aber im Gegensatz zu Maklern erhielten sie dafür keine Provision von der Assekuranz. Der Grund: das immer noch gültige gesetzliche Provisionsabgabeverbot. Danach darf ein Versicherer nur Maklern und Agenten Provisionen zahlen, und die dürfen diese Provisionen auch nicht mit ihren Kunden teilen.
Deshalb wandelten damals Konzerne ihre Versicherungsabteilungen in Maklerfirmen um – gegen den heftigen Widerstand von Großmaklern und Versicherern. Auch das Bundesamt für das Versicherungswesen war dagegen, es fürchtete um die Einhaltung des Provisionsabgabeverbots.
Erst 1971 kam es zur Einigung. Für die firmenverbundenen Vermittler gilt seither ein Zulassungsverfahren. Dabei prüft im Auftrag der BaFin die sogenannte Wiesbadener Vereinigung, ob es sich um einen echten Vermittler mit eigener Tätigkeit oder nur um eine Provisionsabschöpfungseinrichtung handelt. Zur Wiesbadener Vereinigung, die bei der Gothaer in Köln angesiedelt ist, gehören fast alle in Deutschland tätigen Versicherer. Nur wenn sie erklärt hat, dass es sich um einen echten Makler handelt, fließt Provision. Zurzeit gibt es 194 firmenverbundene Vermittler.
Unter Druck ist das System nicht nur aus Compliance-Gründen, weiß Geiger. „Wir erleben gerade den Trend, dass Tochtergesellschaften wenn möglich abgeschafft werden, nachdem früher alles outgesourct wurde.“
Außerdem gibt es Änderungen in den Vertragsverhältnissen zwischen Versicherern und Großkunden: Ein großer Teil der Policen wird heute auf Nettobasis abgeschlossen. Der Versicherer zahlt keiner Partei Provisionen, dafür sind die Prämien entsprechend niedriger. „Aber das spricht nicht gegen die firmenverbundenen Vermittler“, sagte Geiger. „Wie andere Makler auch erhalten sie dann ein Honorar für die Beratung.“ Dabei geht es nur darum, kostendeckend zu arbeiten.
Die meisten arbeiten mit großen Maklern zusammen. Die Zeiten, in denen große Häuser sich auf Kosten der firmenverbundenen Vermittler profilieren wollten, sind vorbei. „Marsh zum Beispiel hat uns schriftlich gegeben, dass die Firma die Integrität der Firmenverbundenen nicht in Frage stellt“, sagt Geiger. Das hindere aber einige kleinere Anbieter nicht, in Schreiben an Finanzvorstände zu versprechen, alles besser und billiger zu machen.
Die Großmakler haben inzwischen entdeckt, dass es viel lukrativer ist, mit den Firmenverbundenen gut zusammenzuarbeiten – statt sie zu bekämpfen. So gibt es zahlreiche Beispiele gut funktionierender Joint Ventures zwischen Konzernen und Großmaklern, die entweder die gesamten Funktionen wahrnehmen oder in einer Sparte aktiv sind. Ein wichtiger Grund für Konzerne, trotz Existenz eines eigenen Maklers fremde Vermittler zu beschäftigen: Die Großmakler liefern wegen ihrer weltweiten Aktivitäten eine Art Benchmark. Zwar werden sie den deutschen Chemiekonzernen nicht verraten, wie die Versicherungsbedingungen und -preise der US-Konkurrenz aussehen. Aber sie können beurteilen, ob ein bestimmtes Angebot eines Versicherers ungefähr auf dem Marktniveau für Großkonzerne liegt oder nicht.
Das Verhältnis der Konzerne zu den großen Industrieversicherern sei entspannt, erläutert Geiger. „Das liegt natürlich daran, dass wir immer noch keine Sanierungsphase haben.“ Unter Sanierung verstehen die Assekuranz und ihre Kunden eine Zeit der systematischen Prämienerhöhungen – oder der Kündigung von Verträgen, bei denen die Versicherer solche Erhöhungen nicht durchsetzen können. „Wir haben zurzeit keine Sanierung. Wir können aber auch nicht mehr mit deutlichen Prämienreduzierungen rechnen“, sagt Geiger. In dieser Situation versuchten alle Versicherer, ihre Kunden und damit Marktanteile zu halten.
Gleichzeitig sei die Auswahl der großen Konzernkunden für die Position der führenden Versicherer eingeschränkt. „Es gibt nur eine Handvoll Versicherer mit ausgebautem internationalen Netz.“ Genau das brauche man aber als global agierendes Unternehmen. Newcomer, ob sie aus dem deutschen Markt oder aus anderen Ländern kommen, seien hochwillkommen, weil sie Kapazität für die Konsortien bringen. „Als führende Versicherer kommen die meisten wegen des nicht vorhandenen Netzes kaum in Frage“, sagt Geiger. „Dennoch sind sie sehr wichtig. Denn ohne die Newcomer haben wir irgendwann nur noch HDI-Gerling, Allianz, Axa und Zurich.“ Und das sei nun wirklich nicht im Interesse der Konzerne in ihrer Rolle als Versicherungskunden.
Quelle: Financial Times Deutschland
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