Vehement wehrt sich ein französischer Rückversicherer in Köln gegen einepreußische Anschrift. Zu tief sitzt noch immer die Schmach von 1871
Herbert Fromme
Jeder Umzug hat so seine Tücken. Entsprechend soll der Wechsel des französischen Rückversicherers Scor ins neue deutsche Hauptquartier generalstabsmäßig über die Bühne gehen. Bislang hatte sich das Unternehmen über mehrere Gebäude in Köln verteilt, nun soll es endlich eine einheitliche Adresse geben. Ein 40-Mio.-Euro-Neubau, modernste Technik, vollständig aufs Energiesparen ausgelegt – an alles hatte man gedacht in der Pariser Konzernzentrale. Nur nicht an die Anschrift.
Als Standort hat sich Scor die Goebenstraße in der Nähe des Kaiser-Wilhelm-Rings ausgesucht. Erst spät fiel den französischen Bauherren auf, wo sie künftig residieren: Die Straße wurde nach dem preußischen General August Karl von Goeben benannt. Er lebte von 1816 bis 1880 und befehligte im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 an führender Stelle deutsche Armeen im Frankreichfeldzug. Amiens, Bapaume, Saint-Quentin – auf sein Konto gehen mehrere bedeutende Siege mit Tausenden von Toten und Verwundeten. In Ehrung dieser Taten zierte sein Name auch den Schlachtkreuzer SMS „Goeben“, der im Ersten Weltkrieg zuerst unter deutscher und später unter türkischer Flagge fuhr. Merde!
Was also tun? Scor wandte sich an das Kölner Rathaus – ob denn nicht eine Umbenennung möglich wäre. Doch die Stadtväter beschieden den weltweit sechstgrößten Rückversicherer abschlägig. Schließlich hätte das eine Welle ähnlicher Forderungen nach sich ziehen können. Fast alle Straßen in der engeren Umgebung des Scor-Bauplatzes wurden nach dem Waffengang 1870/71 siegestrunken nach Kriegsherren benannt.
So hätten auch Tricksereien mit dem Hauseingang nicht weitergeholfen. Das künftige Gebäude liegt an der Ecke zur Werderstraße, da hätte der Haupteingang ja durchaus verlegt werden können. Doch Preußenfans wissen, dass auch das keinen Ausweg bietet: Schuld ist diesmal der preußische General August Graf von Werder. Er belagerte 1870 Straßburg und focht die Schlacht an der Lisaine aus, die ihn in Deutschland zum Helden machte.
Wohl auch mangels Alternativen heißt es inzwischen, das Scor-Management habe sich mit der Namensgebung der Goebenstraße abgefunden. Man sehe das ganz entspannt, heißt es jetzt bei dem Unternehmen.
Allzu sehr grämen müssten sich die Franzosen eigentlich sowieso nicht. Ihr ehemaliger Erbfeind kann mit ähnlicher Schmach ganz gut leben. Scor-Konkurrent Munich Re hat sein Pariser Büro in der Rue Lafitte. Namenspatron ist der Banker und Politiker Jacques Lafitte, der in der Revolution von 1830 eine Rolle spielte, danach aber politisch und finanziell völlig ruiniert war. Und die örtliche Niederlassung der Allianz im französischen Arles befindet sich in der Avenue de Stalingrad.
Quelle: Financial Times Deutschland
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