Die Kfz-Versicherer machen dieses Jahr Verluste in Milliardenhöhe. Doch dieMarktführer erhöhen die Tarife nur moderat
Verkehrte Welt: Mit dem ausdrücklichen Hinweis darauf, dass der Kölner Versicherer Gothaer das Neugeschäft in der Kfz-Versicherung drosselt, hält die Ratingagentur Standard & Poor’s ihre gute Bewertung „A-“ aufrecht. Dass ein Versicherer dafür belohnt wird, weniger Geschäft zu machen – das ist allerhand. Normalerweise sind Aussichten auf höhere Absatzzahlen ein Grund für Lob aus dem Mund berufener Analysten und nicht das Gegenteil.
Doch in der Kfz-Versicherung herrschen turbulente Verhältnisse. Früher galt: Im Lebensgeschäft fahren die Versicherer hohe Umsätze ein und können so ihren Vertretern die ordentlichen Provisionen bezahlen, richtig Geld verdienen sie aber in der Kfz-Sparte. Doch das schaffen heute nur noch wenige. Der anhaltende Preiskrieg im Kampf um Martkanteile hat Spuren hinterlassen. Kunden zahlen für die Versicherung ihrer Fahrzeuge so viel wie im Jahr 1982. Die Kosten für Reparaturen, Schmerzensgeld und andere Entschädigungen sind aber enorm gestiegen, die Differenz trägt die Assekuranz. Die Folge: Im Branchenschnitt liegt die Schaden-Kosten-Quote bei 105 Prozent. Das heißt, die Anbieter müssen jeden eingenommenen Prämien-Euro mit 5 Cent bezuschussen. In der Vollkaskoversicherung liegt die Schaden-Kosten-Quote sogar bei 111 Prozent, in der obligatorischen Haftpflichtversicherung bei 103 Prozent. Die Branche rechnet damit, in diesem Jahr 1,1 Mrd. Euro versicherungstechnische Verluste einzufahren. Viele Unternehmen können das durch Einnahmen aus Kapitalerträgen ausgleichen – aber das gelingt nicht jedem. Einige wie der niederländische Versicherer Ineas und die britische Gesellschaft Admiral haben bereits kapituliert. Ineas ist pleite, Admiral sucht einen Weg, sich möglichst elegant aus dem deutschen Markt zurückzuziehen. Andere Anbieter wie die Gothaer halten sich zurück und verzichten bewusst auf Marktanteile.
Seit Jahren beschwören die Manager die Trendwende bei den Preisen, auch in diesem Herbst. In den letzten Monaten eines Jahres tobt in der Kfz-Versicherung die große Wechselschlacht. Denn das Gros der Verträge läuft zum 31. Dezember aus. Kündigen Kunden bis Ende November, können sie den Anbieter wechseln. Nach der Prognose des Marktforschungsinstituts YouGovPsychonomics haben das 800 000 bis 1,2 Millionen Verbraucher in den kommenden Wochen vor. Im Vorjahr haben sich noch 1,5 Millionen einen neuen Versicherer gesucht, haben die Marktforscher berechnet.
Der Anreiz zum Wechsel wird geringer. Einige Versicherer verlangen mehr Geld von den Kunden. „Wir werden die Preise im Januar im einstelligen Bereich anheben“, sagt Christian Diedrich, Vorstandsmitglied der Munich-Re-Tochter Ergo Versicherungsgruppe. Sie versichert knapp 1,48 Millionen Fahrzeuge. Im Schnitt werden die Policen bei Ergo um fünf Prozent teurer. Das ist wenig, glaubt man dem Vergleichsportal Aspect Online. Der Internetvermittler rechnet mit Erhöhungen zum Jahresanfang um durchschnittlich zwölf Prozent. „Die günstigsten Versicherer heben ihre Tarife durchschnittlich um sieben Prozent an, die teuersten Gesellschaften um 14 Prozent“, teilt das Unternehmen mit. Der Vermittler, der von Provisionen nach Onlinevergleichen und -abschlüssen lebt, sieht ein stark gestiegenes Einsparpotenzial, wenn Kunden ihre Tarife elektronisch vergleichen. „Die breite Anhebung der Preise im Vergleich zur letztjährigen Wechselsaison legt nahe, dass sich die meisten Versicherer aus dem Preiskampf der vergangenen Jahre verabschieden werden“, sagt Aspect-Online-Vorstand Wolfgang Schütz. Angesichts der hohen Schaden-Kosten-Quoten können viele einfach nicht mehr mithalten. Sie werden massiv Geschäft verlieren. Denn andere schaffen es trotz niedriger Preise, versicherungstechnisch schwarze Zahlen zu schreiben.
Der Studie von YouGovPsychonomics zufolge erwägen die meisten Wechselwilligen einen Abschluss bei der HUK-Coburg, einem der aggressivsten Marktteilnehmer. Danach will jeder zehnte potenzielle Wechsler dorthin. Hoch im Kurs stehen bei abtrünnigen Kunden nach Auffassung der Marktforscher auch die Allianz, die Axa, die DEVK und die Provinzial.
Die HUK-Coburg hat gerade neue Preise für die Autoversicherung festgesetzt, die ab Januar 2011 gelten. Die Gesellschaft nimmt damit eine Erhöhung vom April dieses Jahres zum Teil zurück. „Wir liegen aber noch leicht über dem Tarif vom Januar 2010“, sagt Sprecher Alois Schnitzer. Der neue Tarif sei „erneut sehr sportlich“.
Im Gegensatz zu den meisten Konkurrenten erzielt die HUK-Coburg in der Autoversicherung noch gute Gewinne. Der Schritt heizt den Preiskrieg wieder an, den viele Versicherer schon für beendet erklärt haben. Die Schere zwischen den Preisen der HUK-Coburg und denen anderer Gesellschaften öffnet sich weiter. HUK-Coburg dürfte in diesem Jahr mit 8,5 Millionen versicherten Fahrzeugen – mit Zweirädern – der Allianz die Marktführerschaft abnehmen. Die Allianz hatte Ende 2009 insgesamt 8,44 Millionen Autos im Bestand, Motorräder nicht eingerechnet. Die Münchner wollen die Preise wie im vergangenen Jahr „moderat erhöhen“. Um wie viel Prozent will das Unternehmen nicht mitteilen. „Das kann man nicht pauschal sagen“, erklärt Sprecherin Claudia Herrmann.
Anja Krüger
Quelle: Financial Times Deutschland
Dieser Beitrag ist nur für Premium-Abonnenten vom Versicherungsmonitor persönlich bestimmt. Das Weiterleiten der Inhalte – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Bitte bedenken Sie: Mit einer von uns nicht autorisierten Weitergabe brechen Sie nicht nur das Gesetz, sondern sehr wahrscheinlich auch Compliance-Vorschriften Ihres Unternehmens.
Diskutieren Sie mit
Kommentare sind unseren Abonnenten vorbehalten. Bitte melden Sie sich an oder erwerben Sie hier ein Abo