Bundesregierung plant Zwangshaftpflicht // Klagewelle bei Schiffsfonds wegenFalschberatung bislang ausgeblieben
Wenn Anleger wegen Fehlern bei der Beratung oder Versäumnissen des Finanzvermittlers Verluste erleiden, ist das ein Fall für die Vermögensschadenhaftpflicht. Bislang hat kaum ein freiberuflicher Berater eine solche Versicherung abgeschlossen, doch bald soll sie gesetzliche Pflicht werden.
Verstärkt in die Schlagzeilen kamen Fälle von Falschberatung nach dem Kollaps der US-Bank Lehman Brothers. Gerade ältere Anleger machten geltend, sie seien von Banken und Beratern beim Kauf von Zertifikaten in die Irre geleitet worden. Doch das Problem geht weit über Lehman hinaus. Zahlreiche Investoren glauben, dass sie nur deshalb in der Finanzkrise Verluste erlitten haben, weil Finanzberater fehlerhaft arbeiteten – und möglicherweise eher ihre Provisionshöhe als die Interessen des Kunden im Auge hatten. Folge: Eine steigende Zahl von Anlegern klagt wegen Falschberatung. Bekommen sie recht, muss der Versicherer des Vermittlers den Vermögensverlust ausgleichen – so er denn eine hat.
Denn bislang ist sie nur für Versicherungsvermittler Pflicht. Sie müssen sich selbst versichern oder als Vertreter von ihrer Gesellschaft freistellen lassen. Wer Investmentfonds, Schiffsbeteiligungen oder Bausparverträge an den Mann bringt, braucht die Deckung bislang nicht. Mit dem Anlegerschutzgesetz plant die Bundesregierung gesetzliche Regelungen, die unter anderem eine Haftpflicht für solche Vermittler vorsehen. Die Mindestdeckungssumme dürfte dabei wie bei den Versicherungsvermittlern 1,2 Mio. Euro betragen. „Die wenigsten haben eine solche Versicherung, weil sie glauben, sie brauchen sie nicht. Das ist fahrlässig, damit schaden die Vermittler sich und ihren Kunden“, sagt Sven Ratzke vom Versicherungsmakler Ratzke & Ratzke in Dresden. Denn die Beweislast, ob falsch beraten wurde oder nicht, liegt im Zweifelsfall beim Berater.
Er muss nachweisen, dass er den Kunden über das Risiko von Verlusten aufgeklärt und auch den Prospekt übergeben hat. Mangelhafte Information über mögliche Verluste und Nichtaushändigung des Prospektes sind typische Vorwürfe, wenn mit dem Investment etwas schiefläuft, sagt Martin Klein, Geschäftsführer des Votum-Verbandes, einer Vereinigung von Finanzdienstleistungsunternehmen.
Oft ließen sich diese Behauptungen leicht entkräften, indem die entsprechenden Unterschriften des Anlegers präsentiert werden, die den Empfang der Unterlagen und die Informationen bestätigen. „Teilweise wird der Eindruck erweckt, mit Klagen könne man schnell zu Geld kommen. Aber die Mehrzahl der Fälle geht für den Anleger verloren“, sagt Klein. Offenbar gehe es einigen Klägeranwälten nur um den Umsatz, auch wenn die Erfolgsaussichten nicht gut sind. So warben Rechtsanwälte im vergangenen Jahr um enttäuschte Investoren bei Schiffsfonds, die über eingeforderte Nachschüsse oder Rückzahlungen empört waren. Die Kanzleien kündigten eine Klagewelle unter dem Stichwort „Beraterhaftung“ an. Sie blieb letztlich aus.
Kompliziert wird der Fall, wenn der Initiator tatsächlich einen Fehler begangen hat, etwa Falschaussagen im Prospekt stehen. Dann wird in jedem Einzelfall genau geprüft, ob der Vermittler den Fehler hätte entdecken müssen, erklärt Makler Ratzke: Wie lange kennt der Berater das Unternehmen und die Anlageform schon, hätte der Fehler durch einfache Recherche auffallen können?
Meistens halten sich enttäuschte Investoren erst einmal an ihren Berater, auch wenn der Fehler eigentlich beim Initiator liegt. „Ein Vermittler ist natürlich auch ein leichteres Ziel als etwa ein großes Emissionshaus“, sagt Ratzke. Darum sei die Versicherung auch aus Sicht der Berater unerlässlich, sagt Verbandschef Klein. Wer als Vertrieb das Gütesiegel des Votum-Verbandes tragen will, muss deshalb eine solche Police vorweisen können. Die Pflichtversicherung begrüßt Klein. „Wir hätten es aber gern gesehen, wenn sie auch auf den Bereich der Kredit- und Immobilienvermittlung ausgedehnt worden wäre.“
Für einen freien Vertriebler kann ein einziger nachgewiesener Fehler schon verhängnisvoll werden. Sollte ein Anspruch tatsächlich berechtigt sein, kann die zu zahlende Summe schnell Existenz bedrohend hoch sein. „Im Zweifelsfall müssen sie dann bei einem Schaden den Laden dichtmachen“, sagt Ratzke. Dazu kommt: Ein Versicherer kann allein durch seine Erfahrung die Abwehr eines Anspruchs viel professioneller organisieren. In einem Fall zahlt die Vermögensschadenhaftpflicht aber auch bei nachgewiesenem Beratungsfehler nicht: Hat der Vermittler vorsätzlich falsch gehandelt, zieht keine Police.
Katrin Berkenkopf
Quelle: Financial Times Deutschland
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