Niedrige Zinsen, magere Gewinnmargen, neue Aufsichtsregeln: 2011 wird für dieVersicherer zum Jahr der Entscheidungen
Herbert Fromme , Köln
2011 wird für Europas Versicherungswirtschaft das Jahr der Fusionen. Darauf deutet die Entwicklung des Marktes hin, aber auch Aussagen vieler Topmanager der Branche. Die wohl prominenteste Stimme kommt vom Marktführer: Bereits im Oktober kündigte Allianz-Chef Michael Diekmann an, jährlich bis zu 1 Mrd. Euro für Übernahmen ausgeben zu wollen.
Der Druck auf die Gesellschaften, strategisch aktiv zu werden, kommt aus vielerlei Richtungen. So zehren die anhaltend niedrigen Zinsen an den ohnehin knappen Gewinnmargen in der Lebens- und der privaten Krankenversicherung. „Die niedrigen Zinsen sind eine ernsthafte Herausforderung für die Finanzstärke der deutschen Versicherer“, sagt denn auch Karin Clemens, Chefin der deutschen Versicherungsabteilung bei der Ratingagentur Standard & Poor’s.
Zudem sorgt die harte Konkurrenz in den Schaden- und Unfallsparten, vor allem aber der Autoversicherung dafür, dass die Versicherer auch hier nicht das nötige Geld verdienen – erst recht nicht, weil die anziehende Konjunktur für mehr Schäden sorgt.
Dazu kommt, dass sich die Branche auf die EU-Aufsichtsregeln Solvency II vorbereiten muss. Sie gelten ab 2013, erhöhen den Kapitalbedarf und zwingen die Versicherer zu neuen Offenlegungspflichten – das kostet und überfordert viele. „Die Konsolidierung wird kommen“, glaubt Diekmann.
Worte, die nicht ohne Widerspruch bleiben. So verweisen erfahrene Manager gern darauf, dass die Konsolidierungswelle schon oft angekündigt wurde, bislang aber ausgeblieben ist und auch 2011 mitnichten komme.
Doch ihr Argument sticht nicht, aus mindestens zwei Gründen: So hat sich in den vergangenen Jahren im deutschen Versicherungsmarkt sehr wohl viel getan. Gerling ist heute Teil des Talanx-Konzerns, die DBV gehört jetzt zur Axa, Condor zur Inter, Kravag zur R+V. Signal Iduna hat den Rechtsschutzversicherer Deurag gekauft, Traditionsmarken wie Victoria und Hamburg-Mannheimer gehören nach der Vollfusion der Ergo-Töchter der Vergangenheit an. Die Gruppe Deutscher Ring wird zerlegt, die beiden Teile werden integrale Bestandteile entweder der Schweizer Bâloise oder der Hamburger Signal Iduna. Und derzeit verhandelt die Itzehoer mit der britischen Admiral über die Übernahme des deutschen Geschäfts. Mitte 2010 schließlich wurde die niederländische Ineas, die in Deutschland Autopolicen verkaufte, insolvent. Auch so geht Marktbereinigung.
Der zweite Grund, der für eine Fusionswelle spricht: Der deutsche Versicherungsmarkt hat eine solche Zusammenballung von Faktoren, die Firmen zu Zusammenschlüssen drängen könnten, noch nie erlebt. Deshalb wird 2011 ein Jahr der Entscheidungen. Dagegen sprechen auf den ersten Blick zwar die guten 2010er-Zahlen, doch hier trügt der Schein: 2008 und 2009 mussten die Versicherer wegen der Finanzkrise hohe Abschreibungen auf Wertpapiere vornehmen. Dieser Faktor fiel 2010 weg, was folgte, war eine fast automatische Verbesserung der Kapitalerträge aus Finanzanlagen.
An den Kernproblemen ändert das aber nichts. Viele Vorstände fragen sich, wie sie mit der komplexen Lage umgehen: ob sie durch Zukäufe selbst wachsen oder sich möglichst günstig verkaufen oder als Juniorpartner in eine Fusion einbringen wollen.
Noch ist der deutsche Markt enorm zersplittert. Zwar hat die Allianz einen Marktanteil von etwas weniger als 20 Prozent. Doch die nachfolgenden Gesellschaften kommen kaum über zehn Prozent hinaus. Von den knapp 100 Lebensversicherern im deutschen Markt haben nur 27 einen Anteil von mehr als einem Prozent, wie der Branchendienst Map-Report errechnet hat. Ausreichend Raum also für eine grundlegende Marktbereinigung im Fusionsjahr 2011.
Quelle: Financial Times Deutschland
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