Die privaten Krankenversicherer fordern mehr Gewicht für ihr kapitalgedecktesModell
Ilse Schlingensiepen
So viel Geld weckt Begehrlichkeiten. Die privaten Krankenversicherer (PKV) haben Alterungsrückstellungen von rund 155 Mrd. Euro aufgebaut, davon 21 Mrd. Euro in der Pflegeversicherung. Das Geld dient dazu, Beitragssteigerungen im Alter abzudämpfen. Aber so mancher fragt sich, ob davon nicht lieber die Allgemeinheit profitieren sollte. Die Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland Ulrike Mascher hat gerade noch die Bundesregierung aufgefordert, die Pflege-Rückstellungen der PKV in einen „Solidarausgleich zur Finanzierung zusätzlicher Pflegeleistungen für alle gesetzlich oder privat Pflegeversicherten“ einzubringen.
Das kommt für den Vorsitzenden des PKV-Verbands und Chef der Signal Iduna Gruppe Reinhold Schulte nicht infrage. Statt Mittel vom privaten System mit Kapitaldeckung ins gesetzliche Umlagesystem zu pumpen, müsse es genau umgekehrt laufen, sagt Schulte. Er verweist auf die Alterungsrückstellungen von 21 Mrd. Euro. „Gesetzliche und private Pflegeversicherung sind 1995 gleichauf gestartet, in der Privaten haben wir das Demografieproblem gelöst.“
Mit dem Plan, für alle gesetzlich Versicherten eine verpflichtende private Zusatzversicherung einzuführen, liege die schwarz-gelbe Regierung genau richtig. Schulte ärgert, dass einige Unionspolitiker dies nun infrage stellen. Vorschläge, in der gesetzlichen Versicherung selbst Kapital anzusparen, lehnt Schulte ab. „Der Kapitalstock muss politikfern angelegt werden, sonst ist er nicht sicher vor Zweckentfremdung.“
Das Werben für den Ausbau der privaten kapitalgedeckten Pflegeversicherung steht für die PKV in diesem Jahr oben auf der Agenda. Sie will weiter dafür kämpfen, dass die gesetzlichen Kassen sich aus dem Markt für Zusatzversicherungen zurückziehen. Es ist eine der großen Enttäuschungen für die Branche, dass die Regierung hier nicht in ihrem Sinn aktiv geworden ist. „Für bürgerliche Politik müsste doch gelten: Was die private Wirtschaft kann, gehört nicht in die Hand des Staates“, sagt Schulte. Die Versicherer hätten 21 Millionen private Zusatzpolicen im Bestand, sie beherrschten im Gegensatz zu den gesetzlichen Kassen das Geschäft. „Wir brauchen wieder eine saubere Trennung zwischen beiden Bereichen“, fordert er.
Die Trennung könnte auch anders aussehen, als es der PKV vorschwebt, sagt Stefan Etgeton vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. „Die PKV möchte weiter die Vollversicherung anbieten und gleichzeitig die Zusatzversicherung als exklusives Feld behalten.“ Etgeton kann sich gut vorstellen, dass die Privaten künftig nur noch Zusatzpolicen verkaufen und die Kassen die Vollversicherungen.
Von einer obligatorischen privaten Zusatzpolice für die Pflegeversicherung hält Etgeton wenig. „Kann man Leute verpflichten, sich privat zu versichern?“ Außerdem wäre der mit den Policen verbundene Verwaltungsaufwand unverhältnismäßig hoch.
Die Deckungslücke zwischen dem aktuellen Beitragsaufkommen in der gesetzlichen Pflegeversicherung und dem zu erwartenden Bedarf lasse sich auch im Umlageverfahren schließen. Zum einen könne der Beitragssatz angehoben werden. Zum anderen sei der Aufbau eines kollektiven – vor staatlichen Zugriffen geschützten – Deckungsstocks denkbar, sagt er.
Anders als Schulte sieht Etgeton in der Kapitaldeckung nicht das Heil für die Pflegeversicherung. „Die Finanzkrise hat gezeigt, dass die am Kapitalmarkt angelegten Mittel nicht unbedingt sicher sind.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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