Echte und falsche Honorarberater liefern sich eine heiße Schlacht um dieGunst der Kunden. Vertriebsprovisionen stehen unter Druck
Die Kampagne ließ keinen kalt. Die „Bild“-Zeitung nahm sich der vielen Fans an und stellte ihren Lesern den schönen Mann vor, der sie plötzlich überall in den Medien anlächelte. Werbeexperten lieferten sich heiße Diskussionen über die Frage, ob die Nähe des Spots zu einem erfolgreichen Kinofilm Ausdruck von Kreativität oder Ideenklau war. Und die Konkurrenz fühlte sich angegriffen.
Wohl keine andere Werbekampagne eines Versicherungsunternehmens hat so viel öffentliche Aufmerksamkeit erhalten wie die der Ergo, die im vergangenen Sommer startete. In scheinbarer Selbstkritik bemängelt Ergo die komplizierten Klauseln der grauen Herren von der Assekuranz und verspricht, es besser zu machen. Tatsächlich will Ergo-Chef Torsten Oletzky Mitte des Jahres mit neuen Verträgen auf den Markt.
„Die Kampagne passt in die derzeitige Situation am Markt. Vor vier oder fünf Jahren hätte es so etwas nicht gegeben“, sagt ein Insider. Kernthema im Vertrieb sei es, den Kunden wieder in den Mittelpunkt zu stellen.
Ausdruck der neuen Kundenorientierung sind auch die jüngsten Initiativen von Allianz und Volkswohl Bund. Sie folgen einer Empfehlung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft und wollen für Neuverträge die Kosten und ihre Auswirkungen auf die Rendite der Verträge transparenter ausweisen. Im Zuge neuer Ansätze werden sich auch die Provisionsstrukturen ändern, sagt Ulrich Wiesenewsky, Vertriebsexperte bei der Unternehmensberatung Towers Watson. „Das Element der Bestandsprovision wird an Bedeutung gewinnen im Vergleich zur Abschlussprovision.“ Damit würde die gute Betreuung des Kunden wichtiger.
Ein großes Thema bei der Kundenorientierung sind auch die Nettotarife. Sie machen vor allem in der Honorarberatung Sinn. In diese Tarife sind keine Provisionen einkalkuliert. Dafür zahlen Kunden direkt an den Berater. Das kann einer der wenigen zugelassen Versicherungsberater sein, aber auch ein anderer Honorarberater, der sich umfassend mit der finanziellen Situation des Kunden beschäftigt. „Es ist ein Trend zur Honorarberatung auszumachen, nicht zuletzt durch öffentlichen Druck“, sagt Dieter Rauch vom Verbund Deutscher Honorarberater. Auch bei Versicherungsmaklern macht er wachsendes Interesse an der Honorarberatung aus. Allerdings seien die meisten noch zu sehr produktorientiert. Dem echten Berater gehe es aber nicht darum, ob auch ein Produkt gekauft wird. Wütend machen Rauch die unklaren Begrifflichkeiten. Was Berater sind und was Nettotarife ausmacht, ist nicht gesetzlich definiert. So böten Versicherer Verträge als Nettotarife an, bei denen hintenrum doch Zahlungen an die Vermittler flössen, sagt Rauch. „Da ist der Interessenkonflikt programmiert. Das zahlt letztendlich der Kunde.“
Towers-Watson-Experte Wiesenewsky sieht bereits die Grenzen des Wachstums. Derzeit liegt der Anteil der Honorarberatung und -vermittlung am Neugeschäft nach einer aktuellen Untersuchung der Universitäten Köln und Münster und der Fachhochschule Dortmund bei weniger als drei Promille. „Diese Nische ist da und entwickelt sich.“ Aber generell sei die Zahl derer, die sich gegen Geld beraten lassen wollen, begrenzt.
Deshalb ist er skeptisch, wenn es um Vorschläge geht, die Provisionsvermittlung gesetzlich durch die Honorarberatung abzulösen. „Für 100 Euro kann es keine seriöse Beratung geben. Ist es teurer, sinkt bei vielen Konsumenten die Bereitschaft, überhaupt etwas für die Altersvorsorge zu tun.“ Da sei die Akzeptanz für Verträge mit eingerechneten Provisionen höher. Die Zahlungen an den Vertrieb sind allerdings quer durch die Branche unter Druck geraten. So kündigte die Finanzaufsicht BaFin an, künftig die Abschlussprovisionen für die Vermittlung von privaten Krankenversicherungen zu kontrollieren und Exzesse abzustellen.
Gleichzeitig sind die Unternehmen auf gute Vertriebsleute angewiesen, denn das Geschäft schwächelt in wichtigen Bereichen wie der Lebensversicherung gegen laufende Beiträge. Dazu kommt neue Konkurrenz am Bankschalter und im Autohaus. Und immer mehr Verbraucher finden Gefallen am Abschluss einer Versicherung über das Internet. Welcher Vertriebsweg zulegen kann, hänge auch von der Entwicklung auf der Produktseite ab, erklärt Vertriebsexperte Wiesenewsky. So profitierten von der wachsenden Zahl an Lebensversicherungspolicen gegen Einmalbeträge vor allem die Ausschließlichkeitsorganisationen, also die eigenen Vertriebe der Versicherer, und Banken. Makler dagegen sind unterdurchschnittlich vertreten. Das ist kein Wunder – schließlich erfahren eigene Vertriebe schon frühzeitig vom Versicherer, wenn Verträge auslaufen und größere Beträge frei werden. Bankberater können aktiv werden, wenn das Geld auf dem Konto landet.
Doch Makler können aufholen, sagt Wiesenewsky. „Der generelle Trend zu größeren Maklereinheiten hilft sicher bei einer weiteren Professionalisierung.“ Das würde auch unabhängigen Vermittlern ermöglichen, sich vom IT-System alarmieren zu lassen, wenn Verträge fällig werden.
Katrin Berkenkopf
Quelle: Financial Times Deutschland
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