Mit speziellen Policen können sich Unternehmen vor Schäden schützen, diekriminelle Mitarbeiter verursachen. Nur wenige Firmen haben daran Interesse. DieAnbieter versuchen, die Verträge mit erweiterten Bedingungen attraktiver zumachen
Friederike Krieger
Acht Jahre lang wirtschaftete der Produktionsleiter des öffentlich-rechtlichen Kinderkanals Kika in die eigene Tasche. Er rechnete Aufträge für Leistungen ab, die es gar nicht gab. Als er Ende 2010 aufflog, hatte er rund 8,2 Mio. Euro beiseitegeschafft.
Das ist kein Einzelfall: Kriminelle Mitarbeiter sind ein großes Problem für Unternehmen. Zu den Hauptdelikten zählen Untreue, Unterschlagung, Diebstahl und Bestechung. Der Schaden für die Firma ist oft groß, die Konsequenzen sind hart. „Wenn herauskommt, dass ein Mitarbeiter einen Kunden bestochen hat, um einen Auftrag zu ergattern, kann das Unternehmen vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden“, sagt Frank Hülsberg, Partner beim Wirtschaftsprüfer KPMG. Nach seiner Einschätzung entstehen deutschen Firmen durch Wirtschaftskriminalität jährlich Kosten zwischen 25 und 30 Mrd. Euro. Ein Viertel der Unternehmen glaubt, am ehesten von den eigenen Mitarbeitern bestohlen zu werden.
Firmen können sich mit einer Vertrauensschadenpolice vor den finanziellen Folgen unerlaubter Machenschaften ihrer Beschäftigten schützen. „Sie bietet einen schnellen Liquiditätsersatz“, sagt Herbert Hartwig vom Industriemakler Gossler, Gobert & Wolters (GGW). Denn bei den Tätern ist oft nichts zu holen, sie haben das Geld in der Regel schon ausgegeben. Das ist auch bei dem ehemaligen Kika-Produktionsleiter der Fall.
Marktführer in der Vertrauensschadenversicherung ist die Allianz-Tochter Euler Hermes, gefolgt von R+V. Zudem sind Zurich, Axa und die amerikanischen Anbieter Chubb und Chartis im Markt aktiv. Die Vertrauensschadenversicherung ist die kleinste Sparte der Kreditversicherung. In den ersten drei Quartalen 2010 nahmen die Anbieter rund 132 Mio. Euro Bruttobeiträge ein, rund ein Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.
Die Nachfrage nach den Policen ziehe an, sagt Alexander Beuther von der R+V. „Obwohl die Vertragszahl jährlich um 15 und 25 Prozent steigt, lässt die Marktdurchdringung immer noch zu wünschen übrig“, sagt er. Die Policen lassen sich nicht sonderlich leicht verkaufen. „Es ist ein sehr emotionales Produkt“, sagt Beuther. „Die Unternehmer sind sich bewusst, dass Mitarbeiterkriminalität ein großes Problem ist, haben aber das Gefühl, dass es sie nicht treffen kann.“ Vor allem Mittelständler – die Hauptklientel der R+V – sind oft der Meinung, sie hätten ihre Belegschaft im Griff. Manche fühlen sich durch das Angebot einer Vertrauensschadenpolice sogar beleidigt, weil sie glauben, man wolle ihnen damit eine schlechte Personalpolitik unterstellen.
Die Versicherer versuchen deshalb, die Policen attraktiver zu machen. „Die Bedingungswerke wurden in den vergangenen Jahren immer weiter ausgedehnt“, sagt Beuther. Inzwischen versichern die Gesellschaften auch Vermögensschäden, die den Firmen durch Straftaten von Dritten entstehen, etwa durch Hackerangriffe. Die R+V ersetzt seit diesem Jahr auch Schäden durch behördliche Beweissicherung. Die können entstehen, wenn ein Hacker die Computer im Unternehmen nutzt, um Schadsoftware an weitere Rechner zu senden. „Dann kann es passieren, dass der Staatsanwalt am nächsten Tag vor der Tür steht und die Rechner der Firma mitnimmt“, sagt Beuther. Die R+V übernimmt dann die Kosten für die Betriebsunterbrechung und den Kauf neuer PCs. „Mit solchen Produktergänzungen erweitern wir die Ansprache von der Mitarbeiterkriminalität hin zu externer Kriminalität“, sagt er. Der Anbieter bezeichnet die Policen inzwischen neutral als Vermögensschutzversicherungen.
Auch Euler Hermes arbeitet an neuen erweiterten Bedingungen, die das Unternehmen Mitte Mai einführen will. „Das Thema Rückwärtsdeckung wird an Bedeutung gewinnen“, erwartet Rüdiger Kirsch von Euler Hermes. Dabei übernimmt der Versicherer Schäden für Mitarbeiterdelikte, die vor Vertragsabschluss begangen worden sind, aber erst danach entdeckt werden.
Zudem hoffen die Versicherer, dass sich der Absatz der Policen durch die Bündelung mit weiteren Verträgen verbessert. „In angloamerikanischen Ländern ist die Nachfrage nach Vertrauensschadenpolicen deutlich höher, weil sie dort in Kombination mit anderen Versicherungen verkauft werden“, sagt Kirsch. Auch in Deutschland versprechen manche Gesellschaften Rabatte, wenn Unternehmen, die eine Managerhaftpflichtversicherung kaufen, die Vertrauensschadenpolice gleich mit abschließen. „Hier ergibt sich ein gutes Verkaufsargument“, sagt Hartwig von GGW. „Wer sich gegen Schadensersatzansprüche aufgrund von Managerfehlern absichern will, sollte auch Vermögensschäden durch untreue Mitarbeiter nicht vergessen.“ Die R+V verkauft ihre Vertrauensschadenpolicen oft im Bündel mit Standardunternehmensverträgen, etwa Feuerversicherungen. „Dadurch wird sie auch für kleine regionale Betriebe mit wenigen Angestellten interessant“, sagt Beuther.
Während sich die Nachfrage in Grenzen hält, steigen die Schäden. In den ersten drei Quartalen 2010 verzeichneten die Anbieter mit 61 Mio. Euro einen um sieben Prozent höheren Schadenaufwand als im Vorjahreszeitraum. Kirsch von Euler Hermes führt das auf ein verbessertes Risikomanagement in den Firmen zurück. „Dadurch werden jetzt Schäden aufgedeckt, die früher unentdeckt blieben, vor allem bei ausländischen Töchtern deutscher Unternehmen“, sagt er. Niederlassungen in ost- und südeuropäischen Ländern hätten früher ein gewisses Eigenleben geführt. „Sie sind räumlich weit entfernt, es gibt Sprachprobleme und häufig zu lange Revisionsintervalle“, sagt Kirsch. Inzwischen würden die Niederlassungen eingehender überprüft.
Er glaubt allerdings nicht, dass die Schäden durch das bessere Risikomanagement langfristig sinken. „Mitarbeiter, die über eine hohe kriminelle Energie verfügen, finden einen Weg, die Kontrollen zu umgehen“, sagt Kirsch. Es könne aber sein, dass Unregelmäßigkeiten durch stärkere Kontrollen früher auffallen.
Quelle: Financial Times Deutschland
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