Berlin rollt Millionen Riester-Verträge auf

Neue Prüfmechanismen decken unberechtigt gezahlte Zulagen auf //Entbürokratisierung von 2005 wird zum Bumerang

 

In die Affäre um die Rückbuchung von unberechtigt gezahlten Zulagen für die sogenannte Riester-Rente kommt Licht: Nach FTD-Informationen spielt der Dauerantrag auf staatliche Zulagen eine Schlüsselrolle. Dieser war 2005 zur Entbürokratisierung der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge eingeführt worden. Er ist mit dafür verantwortlich, dass Hunderttausende Riester-Kunden Zulagen erhielten, ohne anspruchsberechtigt gewesen zu sein.

Bei Riester-Verträgen genehmigt die Zentrale Zulagenstelle für Altervermögen (ZfA) die Zuschüsse zunächst ohne genauere Kontrolle. Die Prüfung, ob die Zulage in voller Höhe rechtens war, erfolgt frühestens nach Ablauf von zwei Jahren, denn solange können Anleger die staatliche Förderung noch nachträglich beantragen.

Bei der nun laufenden Prüfung für die Jahre 2005 bis 2007 hat die ZfA bereits rund 1,5 Millionen Fälle identifiziert, in denen Anleger ungerechtfertigt Zulagen erhielten – wobei Sparer, bei denen das öfter der Fall war, mehrfach erfasst wurden. Erleichtert wurde die Aufdeckung der Fälle durch bessere Kontrollmöglichkeiten. Seit 2010 hat die ZfA die technischen Voraussetzungen, die tatsächliche Anspruchsberechtigung zu ermitteln – etwa durch einen Datenabgleich mit Rentenversicherungsträgern oder Finanzämtern. Auch deshalb schob die ZfA die Prüfung der Altfälle so lange auf.

Genaue Daten über die Zahl der Betroffenen wollen weder Finanzministerium noch ZfA nennen, auch die Summe der Rückforderungen ist strittig. Allerdings dürften die Fallzahlen künftig noch steigen, da seit Anfang 2008 die Zahl der Riester-Verträge um ein Drittel auf 14,4 Millionen gestiegen ist und die Prüfung noch ansteht.

Verbraucherschützer bemängeln, dass Betroffene erst spät erfahren, dass sie in der Vergangenheit nicht zulagenberechtigt waren. Der Anspruch kann verfallen oder gewisse Mindesteinzahlungen erfordern, wenn Riester-Sparer Eltern werden, in die Selbstständigkeit wechseln oder sich schlicht ihr Einkommen verändert. Betroffen sind vor allem die Kunden, die ihren Dauerzulagenantrag nicht aktualisiert haben. Sie erfahren nun aus Briefen ihrer Produktanbieter, dass die Zulagenstelle die Förderung automatisch einzieht. Dabei werden weder die Wertentwicklung noch gezahlte Gebühren berücksichtigt.

Bereits zur ihrer Einführung im Jahr 2001 hatten Verbraucherschützer die Riester-Rente als Bürokratiemonster kritisiert: Anleger mussten jährlich einen Antrag einreichen. 2005 reagierte der Gesetzgeber und führte den Dauerzulagenantrag ein – er gilt für die Sparer bis auf Widerruf. Damit sollte dem Kunden erspart werden, jedes Jahr aufs Neue die Zulagen beantragen zu müssen. Der Antrag entbindet die Sparer aber nicht von der Pflicht, Änderungen in ihren Lebens- und Einkommensverhältnissen zu melden. Und dies haben wohl etliche Versicherte versäumt.

Der rentenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Peter Weiß, warnte daher vor voreiligen Schlüssen. „Die gesetzliche Grundlage für den Datenabgleich gibt es erst seit zwei Jahren, deswegen kann das Zulagenamt erst jetzt reagieren. Bevor man nun alles umbaut, muss erst ausgewertet werden, wer aus welchen Gründen Zulagen unberechtigt bezogen hat – und dann kann man über Konsequenzen reden“, sagte er der FTD.

Vertreter der Versicherungs- und Fondsbranche widersprachen gestern jedenfalls der Darstellung des Finanzministeriums, wonach die Rückforderungen vor allem auf Vertragskündigungen zurückzuführen seien, die ebenfalls einen Verlust der Zulagen nach sich ziehen. „Bei uns ist das nicht so“, sagte ein Sprecher von Union Investment. Der größte Teil der Zulagen müsse zurückgezahlt werden, weil Anleger den für die Förderung erforderlichen vollen Beitrag nicht gezahlt oder Änderungen ihrer Lebensumstände nicht mitgeteilt hätten.

Auch die Zahlen des Lebensversicherers Debeka sprechen dafür, dass die Probleme eher im Förderungssystem liegen. Die ZfA hatte bei der Debeka 2010 mit den Prüfungen für die Jahre 2005 bis 2007 begonnen. „Die Prüfungen sind noch nicht abgeschlossen“, so eine Debeka-Sprecherin. Seit 2010 habe der Versicherer rund 20 Mio. Euro an Zulagen zurücküberwiesen. „Diese 20 Mio. Euro sind reine Zulagenrückzahlungen, darunter sind keine Rückzahlungen wegen schädlicher Verwendung“, so die Sprecherin. Darunter versteht der Gesetzgeber die Auflösung des Vertrags und vorzeitige Auszahlung des Kapitals.

Die Zulagenstelle will auf die Verwirrung bei Riester-Sparern nun reagieren und eine Hotline einrichten. Die SPD-Politikerin Elke Ferner forderte bessere Informationen über Förderkriterien und Änderungen. Zudem müssten Sparer die Möglichkeit erhalten, nachzubessern: „Die Zulagen einfach zurückzuholen, ohne dass sie informiert sind und nachzahlen können, geht gar nicht. Sie müssen wenigstens die Chance erhalten, das Versäumnis aufzuholen“, sagte Ferner der FTD.

Was Kunden wissen müssen21

Christian Kirchner,

Karsten Röbisch, Frankfurt,

Maike Rademaker, Berlin,

und Anja Krüger, Köln

Quelle: Financial Times Deutschland

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