Verkaufsorganisationen locken Kunden mit attraktiven Dienstleistungen, aberberaten schlecht
Friederike Krieger und
Katrin Berkenkopf
Wer Hilfe bei der Jobsuche benötigt, wird sich eher nicht an seinen Versicherungsvertreter wenden. Bei Medizinern, die Kunden des Finanzvertriebs MLP sind, kommt das aber durchaus vor. Das auf Ärzte und andere Akademiker spezialisierte Unternehmen kooperiert mit Personaldienstleistern und Krankenhäusern, um Kunden bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz zu unterstützen. Interessierte können in einer umfangreichen Gehaltsdatenbank stöbern oder in einer Börse nach einer Praxis zwecks Übernahme suchen.
Uneigennützig ist das Angebot natürlich nicht. „Die Services gehen Hand in Hand mit unseren Kerndienstleistungen“, sagt Marc-Philipp Unger, Leiter Zielgruppenmanagement bei MLP. Verdient der Kunde mehr Geld, kann er mehr für Finanzverträge oder Versicherungen ausgeben. Finanzvertriebe wie MLP vermitteln solche Verträge und leben von den Provisionen.
Die Wirtschaftskrise hat den Vertrieben zugesetzt. Verbraucher hielten und halten sich beim Abschluss langfristiger, provisionsträchtiger Verträge zurück. Die Konkurrenz ist hart. Neben Großvertrieben wie MLP, AWD und DVAG buhlen auch kleinere Makler und Vertreter um die Gunst der Kunden. Verbraucherschützer sind auf die Finanzvertriebe nicht gut zu sprechen. „Häufig geht die Beratung an den Ansprüchen des Kunden vorbei und setzt falsche Prioritäten“, sagt Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten. „Für einen Jungakademiker muss es eben nicht immer eine gute Wahl sein, gleich in die private Krankenversicherung zu wechseln.“ Bei Maklern oder Versicherungsberatern sieht er einen weitaus höheren Qualitätsanspruch.
Aber bei der Betreuung der Kunden haben große Finanzvertriebe kleineren Marktteilnehmern einiges voraus, sagt Stephan Maier, Partner bei der Unternehmensberatung Schickler. „Sie sind flotter, was Kundenakquise und Service angeht“, sagt er. Zudem haben sie oft die bessere IT. „Das ermöglicht ihnen eine 360-Grad-Sicht auf den Kunden“, sagt Maier. Rufe ein Kunde im zentralen Servicecenter seines Versicherers wegen einer Frage zu seiner Hausratversicherung an, müsse er erst die Nummer seiner Police heraussuchen. „Bei den Finanzvertrieben gibt es dagegen nur eine Kundennummer, unter der alle Verträge des Kunden deponiert sind“, sagt Maier. Die Vertriebe kennen die Daten wichtiger Ereignisse der Kunden wie runder Geburtstag oder Berufsabschluss. Kommen sie dann mit einem neuen Angebot, empfinden Kunden das oft als guten Service.
Die Vertriebsorganisation unterstützt die Vertreter. AWD-Vertreter können bürokratische Aufgaben an das interne Servicecenter delegieren. „Damit halten wir den Finanzberatern den Rücken für die eigentliche Arbeit, nämlich die Beratung des Kunden, frei“, sagt Sprecherin Stephanie Schuler. Die lässt aber auch nach Maiers Einschätzung bei Großvertrieben oft zu wünschen übrig. „Hier muss dringend etwas getan werden“, sagt er. Die Beratungen mutierten zu Verkaufsgesprächen, in denen die Mitarbeiter die provisionsträchtigsten Produkte anpreisen.
Quelle: Financial Times Deutschland
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