Finanzvertriebe stecken für ihre Beratungen viel Kritik ein. Ihren Erfolgverdanken sie ohnehin anderen Faktoren
Friederike Krieger und Anja Krüger
Finanzvertriebe haben keine gute Presse. Ende April machte das auf Akademiker spezialisierte Unternehmen MLP negative Schlagzeilen. Studenten der Universität Bremen hatten moniert, dass die kostenlosen Seminare, die MLP dort zu Themen wie Rhetorik und Persönlichkeitsanalyse veranstaltete, letztendlich dem Verkauf dienten.
Auch Konkurrent AWD hat immer wieder mit negativer Berichterstattung zu kämpfen. Zum Kommunikations-GAU geriet der Versuch des AWD-Gründers und heutigen Swiss-Life-Verwaltungsrats Carsten Maschmeyer, die Ausstrahlung eines kritischen Berichts des NDR-Fernsehmagazins „Panorama“ zu verhindern.
Die Unternehmen spielen die schlechte Presse herunter. „Das sind vereinzelte Kritiken, die überhaupt nicht repräsentativ sind“, sagt Marc-Philipp Unger, Leiter des Zielgruppenmanagements bei MLP zu der Kritik an den Seminaren. Normalerweise seien die Studenten mit den Veranstaltungen sehr zufrieden.
Vertriebsorganisationen wie MLP, AWD und OVB verkaufen für Banken, Versicherer und andere Anbieter Verträge und leben von Provisionen. Früher als Drückerkolonnen geschmäht, sind sie heute wichtige Verkaufskanäle für die Finanzbranche. Mit wachsendem Erfolg hat sich auch ihr Image verbessert. Doch die Wirtschaftskrise setzt den Vertrieben zu. „Die Verunsicherung der Kunden ist noch spürbar“, sagt MLP-Chef Uwe Schroeder-Wildberg. Er glaubt, dass sich das auch im laufenden Jahr noch nicht ändert. Aufgrund der wirtschaftlichen Unsicherheit schrecken Verbraucher davor zurück, sich finanziell langfristig zu binden.
Doch gerade für diese Verträge, meist für die Altersvorsorge, zahlen die Versicherer hohe Provisionen. Das für die Lebensversicherer lukrative Geschäft mit Einmalbeiträgen, bei dem Kunden hohe Summen bei den Gesellschaften parken, geht an den Finanzvertrieben weitgehend vorbei. Diese Verträge kaufen Kunden lieber woanders. Das könnte ein Indiz dafür sein, dass das Geschäftsmodell seine besten Zeiten hinter sich hat.
Die Vertriebe werben damit, dass sie die Kunden umfassend versorgen. AWD nennt sich „Ihr persönlicher Finanzoptimierer“, MLP wirbt mit dem Slogan: „Finanzberatung, so individuell wie Sie“. Verbraucherschützer ärgern diese Bezeichnungen, denn nach ihrer Auffassung steht bei den Vertrieben die Verkaufsabsicht immer an erster Stelle, nicht die Beratung im Interesse des Kunden. „Das sind aggressive Verkaufsorganisationen, die nichts mit qualifizierter Beratung zu tun haben“, sagt etwa Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten.
Bei Kunden seien die Finanzvertriebe oft erfolgreich, weil sie unter falscher Flagge segeln. Das gilt etwa für die Deutsche Vermögensverwaltung (DVAG) von Reinfried Pohl, einem der Väter des deutschen Strukturvertriebs. Bei Strukturvertrieben heuern Vertreter weitere Verkäufer an und bekommen von deren Provisionen einen Teil ab. Das setzt sich bis zur Spitze fort. Pohl hat mit diesem Modell Milliarden verdient.
Die DVAG wirbt mit dem Label Vermögensberatung. „Uns ärgert, dass sich das Unternehmen nicht als Ausschließlichkeitsvertrieb präsentiert“, sagt Rudnik. Schließlich ist die DVAG Exklusivpartner der Generali-Tochter Aachen-Münchener. Kuriosität am Rande: Ausgerechnet die DVAG hat sich im Internet die Adresse www.bdv.dewww.bdv.de gesichert, Abkürzung des Bundes der Versicherten.
„Die Vertriebsmitarbeiter stehen selbst stark unter Druck“, sagt Rudnik. Das sei auch der Grund, warum es regelmäßig zu Fehlentwicklungen im Markt komme, etwa zu systematischen Umdeckungen. Immer wieder bewegen Vertriebsleute Kunden dazu, den Versicherer zu wechseln, damit sie lukrative Provisionen einstreichen können. Das ist besonders in der privaten Krankenversicherung eine Plage. Angesichts der gesetzlich eingeschränkten Möglichkeiten, von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung zu wechseln, ist das Neugeschäft begrenzt. Versicherer locken deshalb Vermittler mit Provisionen von bis zu 18 Monatsbeiträgen.
Nicht nur die traditionellen Kritiker wie die Verbraucherschützer stehen den Finanzvertrieben skeptisch gegenüber. Stephan Maier, Partner bei der Unternehmensberatung Schickler, hält die Beratungsqualität der Finanzvertriebe ebenfalls für verbesserungswürdig. „Hier muss dringend etwas getan werden“, sagt er. Die Beratungen mutierten häufig zu reinen Verkaufsgesprächen. Zudem seien die Mitarbeiter oft nicht gut ausgebildet. „Da trifft man auf so manchen Laienverkäufer, der mit Anlageberatung bis vor Kurzem nichts zu tun hatte“, sagt er.
Für wohlhabende Privat- und Gewerbekunden gebe es bei den Vertrieben zwar exzellente Berater. „Der kleine Privatkunde kommt aber nicht in den Genuss dieses Service“, sagt Unternehmensberater Maier.
Die Vertriebe halten ihre Mitarbeiter dagegen für gut ausgebildet. AWD und MLP haben im ersten Quartal 2011 Verkäufer verloren – und begründen das unisono mit dem Argument, sie würden eben großen Wert auf die Qualifikation der Vermittler legen. „Entscheidend ist die Qualität der Berater“, sagt MLP-Chef Schroeder-Wildberg. AWD äußert sich ähnlich.
Ob gute oder schlechte Beratung, für den Erfolg ist das möglicherweise gleichgültig. Unternehmensberater Maier glaubt an die Zukunft der Finanzvertriebe: „Sie werden an Bedeutung gewinnen.“ Denn die Vertriebsorganisationen haben den vielen Einzelkämpfern im Markt eines voraus: Verbraucher fühlen sich bei ihnen gut aufgehoben, weil sie eine Rundum-Betreuung bekommen. „Sie haben eine 360-Grad-Sicht auf den Kunden“, sagt Maier. Finanzvertriebe sind weniger bürokratisch. Der Kunde bekommt alles aus einer Hand und muss sich bei Fragen nicht durch einen großen Verwaltungsdschungel kämpfen.
Quelle: Financial Times Deutschland
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