Gebäudeversicherer werden knauserig. Vor allem bei Rohrbruch drohtHausbesitzern die Kündigung der Police
Patrick Hagen
Geborstene Wasserleitungen, vom Sturm abgedeckte Dächer und abgebrannte Häuser – bei Großschäden sind Hausbesitzer froh, wenn sie eine Wohngebäudeversicherung haben. Doch die Zeiten großzügiger Leistungen sind vorbei. Kunden, die innerhalb weniger Jahre mehrere Schäden melden, droht nun der Rauswurf. „Die Versicherer sind sensibler geworden“, bestätigt Fachanwalt Arno Schubach, der auch für die Assekuranz tätig ist.
Die Hausbesitzer bekommen damit die Folgen des Wettbewerbs zu spüren, der seit 2002 unter den Gebäudeversicherern tobt. „Allein der versicherungstechnische Verlust im Gesamtmarkt des Jahres 2010 beträgt zirka 600 Mio. Euro“, sagt Ute Laumann, Sprecherin der Westfälischen Provinzial, einer der großen regionalen Gebäudeversicherer. Das zeigt sich an der Kennzahl der Schaden-Kosten-Quote. Diese betrug im vergangenen Jahr nach Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft in dem Segment 113 Prozent. Das heißt, dass die Branche für jeden eingenommen Prämien-Euro im Schnitt 1,13 Euro für Schäden und sonstige Kosten aufwenden muss. In diesem Jahr mussten die Versicherer bislang zwar weniger ausgeben, das reicht laut Laumann aber nicht, um wieder Gewinn zu machen.
Die Folge: Die Versicherer reagieren rigider auf Schadenmeldungen. Vor allem bei Problemen mit Leitungswasserrohren, die einen Großteil der Schäden an Gebäuden ausmachen, kündigt die Assekuranz immer häufiger die Verträge. „Uns liegen sogar Fälle vor, bei denen Kunden nach dem ersten Schaden die Kündigung bekommen haben“, sagt Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten. Fachanwalt Schubach glaubt, dass die Versicherer vor allem Kunden loswerden wollen, die versuchen, aus Schäden das meiste herauszuholen. „Das ist wirtschaftlich nachvollziehbar.“
Die Sorge der Assekuranz ist, dass den ersten Problemen an den Rohren bald weitere folgen: Bei solchen Häusern sei der Schadenaufwand in den vergangenen Jahren um 50 Prozent höher gewesen als bei Gebäuden ohne vorherigen Schaden, sagt Provinzial-Sprecherin Laumann. „Gebäude mit zwei Vorschäden in den letzten fünf Jahren haben im Mittel sogar einen doppelt so hohen Schadenaufwand wie schadenfreie Gebäude.“
Rechtlich ist das Vorgehen einwandfrei. Sowohl Kunde als auch Versicherer haben nach einer Schadenmeldung ein Sonderkündigungsrecht mit einem Monat Frist. Die Assekuranz sitzt am längeren Hebel: Hausbesitzer sollten die Vertragskündigung durch den Versicherer auf jeden Fall verhindern, rät Verbraucherschützer Rudnik. „Häufig ist der Versicherer bereit, den Vertrag mit geänderten Bedingungen fortzuführen, etwa nach Vereinbarung eines Selbstbehalts und gegen höhere Beiträge“, sagt Rudnik.
Für Kunden ist das oft die einfachste Möglichkeit – auch wenn es für sie teurer wird. Denn ist der Vertrag erst beendet, wird es schwer, einen neuen Anbieter zu finden. Der neue Versicherer will wissen, ob Vorschäden bestehen und wer den vorherigen Vertrag gekündigt hat. Rausgeworfene Kunden sind nicht begehrt.
Will der Versicherer den Vertrag auf keinen Fall fortführen, ist es sinnvoll, ihn von sich aus zu beenden. „Damit lässt sich der Makel der Kündigung durch den Versicherer vermeiden“, sagt Rudnik. Das erleichtert es, einen neuen Anbieter zu finden.
Auch bei Sturmschäden prüft die Assekuranz mittlerweile genauer, ob schon einmal ein Schaden vorlag. „Bei größeren Schäden über 2000 Euro schicken die Versicherer regelmäßig einen Gutachter“, sagt Anwalt Schubach. Stellt der fest, dass schon vor dem Sturm Dachziegel gebrochen waren oder der Dachstuhl marode war, kürzt der Versicherer die Leistungen.
Quelle: Financial Times Deutschland
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