Ein überarbeitetes System bei Schadenfreiheitsklassen macht die Prämie füreinige Autofahrer billiger, für viele aber teurer
Kunden, die ihre Kfz-Versicherung wechseln wollen, müssen in diesem Jahr besonders gut rechnen. Zum üblichen Werbefeldzug von Assekuranz und Vergleichsportalen vor dem Stichtag 30. November kommen jetzt noch neue Schadenfreiheitsklassen. Sie können die Policen für sehr junge und sehr erfahrene Fahrer günstiger machen. Der hart umkämpfte Markt wird durch das neue System allerdings noch intransparenter.
Marktführer HUK-Coburg, die Allianz oder HDI-Gerling haben die neuen Rabatte bereits in ihrem Angebot. Wer 35 Jahre lang schadenfrei gefahren ist, kann künftig einen Nachlass von bis zu 80 Prozent erreichen. Nach Angaben der Versicherer fällt fast jeder vierte Kfz-Haftpflichtversicherte in die günstigste Schadenklasse nach 25 Jahren Unfallfreiheit. Mit dem neuen System gibt es in dieser großen Gruppe eine zusätzliche Differenzierung.
Auch für Fahranfänger wird es günstiger. Sie können den Versicherungstarif im besten Fall schon unter 100 Prozent statt bislang bis zu 245 Prozent starten. HDI-Gerling hat berechnet, dass Fahranfänger bei den eigenen Tarifen mit dem neuen System bis zu 200 Euro Prämie im Jahr sparen können.
Für die vielen Kfz-Besitzer, die irgendwo zwischen höchster und niedrigster Schadenfreiheitsklasse eingeordnet sind, kann es allerdings deutlich teurer werden. Die neuen Rabattstaffeln beruhen auf Berechnungen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft. Ob und in welcher Form er sie übernimmt, entscheidet jeder Anbieter selbst.
Die Versicherer haben bereits vor übertriebenen Erwartungen gewarnt. „Die Durchschnittsprämie wird nicht fallen“, prognostiziert HUK-Coburg-Vorstand Klaus-Jürgen Heitmann. Gleichzeitig warnt er, dass Beitragsvergleiche immer schwieriger würden, weil es einen bei allen Anbietern im Leistungsumfang vergleichbaren Standardbeitrag nicht mehr gebe. „Ein Vergleich der 100-Prozent-Beiträge erlaubt keine Aussage mehr über das Tarifniveau der jeweiligen Anbieter“, sagt die HUK-Coburg. Die Allianz preschte mit einem neuen System im Frühjahr vor und verstärkte damit den Kampf um die Rückgewinnung der Marktführerschaft.
Für Michael Heinz vom Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute sind die veränderten Schadenfreiheitsrabatte „eine Katastrophe“. Bei den Vermittlern werden sie wohl wieder zu einer Flut von Anfragen verunsicherter Versicherungsnehmer führen, die in keinem Verhältnis stehe zu der erzielbaren Provision bei einem Neuabschluss, sagt Heinz. „Das rechnet sich für niemanden.“ Makler müssten sich bei jeder Anfrage überlegen, ob es sich betriebswirtschaftlich lohne, diese zu bearbeiten und wie wichtig der Kunde ist. „Das wirkliche Problem haben die Ausschließlichkeitsvermittler.“ Die müssen weiterhin Verträge anbieten.
Die R+V Versicherung macht bei der Neugruppierung in diesem Jahr noch nicht mit. „R+V wird im Laufe des nächsten Jahres, zusammen mit der Einführung eines neuen Tarifs, auch eine neue Rabattstaffel auf den Markt bringen“, sagt Sprecherin Rita Jakli. Auch sie glaubt, dass Vergleiche immer schwieriger werden. „Da jedes Versicherungsunternehmen hier eigene Wege geht, wird ein Versicherungsvergleich über die Rabattstaffel kaum noch möglich sein“, sagt sie. „Vergleiche sind letztlich nur noch möglich über die Indikatoren Beitrag und Leistung.“
Kunden könnten kaum noch den Dschungel an Bedingungen und Preisen durchschauen. Vergleichsportale im Internet dürften daher immer größeren Zulauf erhalten.
Katrin Berkenkopf
Quelle: Financial Times Deutschland
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