Versicherer bieten Policen ohne Abschlusskosten an. Will der Vermittler einBeratungshonorar haben, ist aber Vorsicht angesagt
Anja Krüger und Friederike Krieger
Dass Versicherungsvermittler einen Teil ihrer Provision an Kunden weitergeben, ist in Deutschland illegal – zumindest noch. Und trotzdem passiert es ständig. Zum Beispiel: Ein mittelständischer Unternehmer vom Niederrhein will sich in zehn Jahren zur Ruhe setzen. Um dann genug Geld zu haben, schließt er bei einem Bekannten eine Lebensversicherung ab. Als die Vertragsunterlagen kommen, stutzt er. Denn die Police ist auf eine Laufzeit von 25 Jahren ausgestellt. Schnell ist klar, dass der Vermittler den Vertrag wegen der Provision auf so eine lange Laufzeit ausgestellt hat. Vermittler und Kunde werden sich dann aber rasch handelseinig. „Er hat mir was von der Provision abgegeben, und damit war die Sache für mich erledigt“, sagt der Unternehmer – und muss das bald vielleicht nicht mal mehr anonym tun. Denn die Weitergabe von Provisionen könnte demnächst legalisiert werden.
Das so genannte Provisionsabgabeverbot gilt für Vermittler in Deutschland seit 1934, eingeführt vom Reichsversicherungsamt unter dem ehemaligen Allianz-Chef und damaligen NS-Wirtschaftsminister Kurt Schmitt. Doch wenn es nach der Frankfurter Justiz geht, gilt es nicht mehr lange. Der Fonds- und Versicherungsvermittler AVL aus Weinstadt bei Stuttgart hat jüngst einen wichtigen Etappensieg vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt errungen. Die Richter kassierten das Provisionsabgabeverbot, weil es zu unbestimmt ist. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig. Beobachter erwarten, dass die unterlegene Finanzaufsicht BaFin in die nächste Instanz gehen wird.
AVL verkauft fondsgebundene Lebens- und private Rentenversicherungen, ohne Abschlusskosten dafür zu nehmen. Das Unternehmen bekommt ausschließlich laufende Provisionen. „Zu uns kommen Kunden, die keinen Beratungsbedarf haben“, sagt AVL-Gründer Uwe Lange. Sie haben sich selbst umfassend informiert oder die Dienste eines Experten in Anspruch genommen. „Warum sollen Kunden für etwas bezahlen, was sie nicht brauchen und nicht wollen?“, fragt Lange. Sein Unternehmen vermittelt fondsgebundene Lebensversicherungen für die Luxemburger DB Vita, die zur Deutschen Bank Gruppe gehört. Hier fließt die Abschlussprovision in den Vertrag des Kunden. Daran nimmt die BaFin Anstoß.
Das ist eines von verschiedenen Modellen im Markt, mit denen Anbieter auf die immer größere Wachsamkeit von Anlegern gegenüber Abschlusskosten reagieren. Die noch illegale Variante, dass Kunden einen Teil der Provisionen vom Vermittler bekommen, ist eine Möglichkeit, preissensiblen Verbrauchern entgegenzukommen.
Ein anderes Modell: Nettotarife. Hier preisen Versicherer Provisionen in die Verträge gar nicht erst ein. Anleger können so bei langlaufenden Verträgen mit hohen Beiträgen Tausende von Euro sparen. Dagegen hat die Aufsicht nichts einzuwenden. Die privaten Rentenversicherungen, die AVL in Form von Nettopolicen von Canada Life vertreibt, hat die BaFin nicht beanstandet.
Auch die in Ageas umbenannte ehemalige Fortis setzt verstärkt auf Nettoverträge, in denen keine Provisionen und vertrieblichen Abschlusskosten enthalten sind. Im Unterschied zu AVL ist hier aber Beratung vorgesehen. Der Kunde zahlt dem Vermittler direkt ein Honorar. Über die Ageas-Schwestergesellschaft Honorarkonzept können Makler Kunden diese Beratung gegen Gebühr anbieten und Verträge mit Nettotarifen vertreiben. Die Makler müssen einen Teil des Honorars an das Unternehmen weitergeben. Neben Policen von Ageas bietet Honorarkonzept Verträge der Versicherer Baden-Badener, Skandia, Ostangler, Standard Life und Waldenburger an sowie des betrieblichen Altersvorsorgeanbieters Cordial und der Fondsplattform Moventum.
„Nettoverträge sind ein Nischengeschäft, das ausbaufähig ist“, sagt der Ageas-Chef Michael Dreibrodt. Rund zwei Drittel des Neugeschäfts bekommt Ageas über den Weg der Honorarberatung. Für den Anleger kann das Geschäftsmodell allerdings zu einem Problem werden: Er muss die Kosten für die Beratung auf jeden Fall ganz tragen, auch wenn er den Vertrag früh kündigt.
Bei herkömmlichen Policen muss er dann nur einen Teil zahlen. Ageas-Chef Dreibrodt sieht darin keine Schwierigkeit. Kündigungen spielten bei der Honorarberatung eine geringere Rolle als beim Verkauf auf Provisionsbasis. „Bei Nettoverträgen ist das Storno fast null“, behauptet er. Verbraucherschützer halten Nettoverträge für eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung für kundenfreundlichere Vertriebsstrukturen. Das bedeutet aber nicht, dass jeder Nettotarif gut ist, betont Axel Kleinlein, Vorsitzender des Bundes der Versicherten. „Eine Honorarberatung ist besser als eine provisionsgetriebene Beratung, aber allein keine Lösung“, sagt er. Skeptisch sollten Verbraucher besonders bei hohen Kosten sein, die unabhängig vom Schicksal des Vertrags fällig werden. „Ist die Honorarberatung so teuer wie die sonst üblichen Abschlusskosten, ist sie kein Vorteil“, sagt er. Unabhängige Experten wie Versicherungsberater dürfen ebenfalls konkrete Nettotarife empfehlen.
Quelle: Financial Times Deutschland
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