Deutsche Institute wollen Kapitalpläne erst im Januar vorlegen // Kritik ander EU-Aufsicht verschärft sich täglich
Meike Schreiber, Frankfurt, Friederike Krieger, Köln, Mark Schrörs, Brüssel, Jens Tartler, Berlin
Die deutschen Kreditinstitute bitten die europäische Bankenaufsicht EBA um mehr Zeit für die Umsetzung der gerade erst verschärften Kapitalanforderungen. Wie aus einem Schreiben der Deutschen Kreditwirtschaft an EBA-Chef Andrea Enria hervorgeht, hoffen die deutschen Institute nicht schon bis Weihnachten, sondern erst bis 13. Januar darlegen zu müssen, wie sie ihr Kapital erhöhen. Angesichts der Komplexität von derlei Plänen sowie den sich ständig ändernden Fragebögen und Anforderungen der Aufsicht, sei die erste Frist nicht zu schaffen, hieß es in dem Schreiben der Bankenlobby, das der FTD vorliegt.
Zugleich versuchte die Finanzbranche gestern, die EBA an den Pranger zu stellen. Während die Banken die relativ junge europäische Bankenaufsicht schon in den vergangenen Wochen und Monaten für ihr Vorgehen bei den Bankenstresstests kritisierten, verschärft sich nun der Ton fast täglich. „Im Augenblick sehe ich das Verhalten der Bankenaufsicht als extrem krisenverstärkend an“, sagte Jan Martin Wicke, Vorstand des Finanzkonzerns Wüstenrot & Württembergische. „Wenn sie so weitermacht, wird sie den Systemzusammenbruch provozieren.“
Sparkassenpräsident Heinrich Haasis sagte, die „ständige, willkürliche Änderung“ von Bedingungen und Definitionen berge große Gefahren. Auch sein Kollege Hans Reckers, Geschäftsführer des Bundesverbands Öffentlicher Banken, diagnostiziert bei der EBA zahlreiche organisatorische und methodische Mängel.
Ausgelöst hat den Ärger der laufende Blitzstresstest der EBA, der die Banken eigentlich für die Staatsschuldenkrise fit machen und das Vertrauen wiederherstellen sollte. Im Oktober hatte die Behörde für die 70 größten Banken Europas einen Kapitalbedarf von 106 Mrd. Euro ermittelt, davon entfielen laut vorläufigen Annahmen 5,2 Mrd. Euro auf vier deutsche Banken. Da nun aber die Anleihekurse von Ende September einfließen sollen, rechnet die EBA wieder neu. Zugleich sollen die Banken Kursgewinne von Bundesanleihen nicht voll einrechnen dürfen.
Da sich die Aufsicht jedoch noch nicht auf eine Berechnungsmethode geeinigt hat, müssen die Banken wohl noch länger auf ihren genauen Kapitalbedarf warten. Inzwischen ist fraglich, ob die EBA die Zahlen wie geplant Ende des Monats veröffentlicht.
Am stärksten leidet die Commerzbank unter der Unsicherheit. Die Rede ist von einer Kapitallücke von bis zu 5 Mrd. Euro. Sie muss womöglich erneut Staatshilfe in Anspruch nehmen.
Gestern tagte zum Thema Commerzbank auch das parlamentarische Kontrollgremium des früheren Bankenrettungsfonds Soffin. Eine Überlegung geht dem Vernehmen nach in die Richtung, den Staats- und Immobilienfinanzierer Eurohypo von der Commerzbank abzuspalten und in eine neue Bad Bank zu schieben, die vom Bund abgesichert würde. Damit bliebe der Commerzbank selbst ein erneuter Gang zum Staat erspart – dies würde aber den Steuerzahler mutmaßlich auch viel Geld kosten.
Mit der EU-Kommission laufen bereits Gespräche dazu. „Wir diskutieren das Thema mit den deutschen Behörden“, sagte eine Sprecherin von Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia. Dann müsste aber die Beihilfeentscheidung geändert werden, wonach die Commerzbank die Eurohypo bis 2014 verkaufen muss. Eine Bad-Bank-Lösung könnte dann neue Auflagen für weitere Staatshilfen auslösen.
Quelle: Financial Times Deutschland
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