Große und mittlere Versicherungsmakler wollen den Begriff des ehrbarenKaufmanns wiederbeleben. Dahinter steckt tiefe Frustration über das Image derAssekuranz
Herbert Fromme
Peter Wesselhoeft ist die Sache sehr ernst. Der Hamburger Versicherungsmakler will das Leitbild des ehrbaren Kaufmanns in der Versicherungsbranche wieder zum Vorbild machen. Wesselhoeft tritt an, um neuer Vorsitzender des Verbands Deutscher Versicherungsmakler (VDVM) zu werden. Vorgänger Leberecht Funk kann nach drei Wahlperioden nicht wieder in den Vorstand gewählt werden.
Wesselhoeft und der VDVM haben gute Gründe, das historische Leitbild für verantwortliches wirtschaftliches Handeln wiederzubeleben. Der VDVM sieht sich als Vorhut in der Sache – an seine rund 650 Mitgliedsfirmen stellt er hohe Ansprüche an Professionalität und Verhalten. Über seine Mitglieder gebe es keinen Grund zur Klage, sagt Wesselhoeft denn auch selbstbewusst. Er ist Partner und Geschäftsführender Gesellschafter der Hamburger Maklerfirma Gossler, Gobert und Wolters.
Doch er weiß genau, dass die Imageprobleme der Assekuranz auch auf den VDVM abfärben. „Seit Jahren macht die Versicherungswirtschaft mit negativen Schlagzeilen auf sich aufmerksam“, sorgt er sich. Im Fokus ständen Versicherer und ihre Vertriebe, Vermittlergruppen und Bankvertriebe. „Angeprangert werden Fehlberatungen bei Neuabschluss oder Umdeckungen, deren Nutzen für den Versicherungsnehmer objektiv nicht gegeben ist.“
Dabei gehe es vor allem um Privatkunden, zum Beispiel bei Riester-Verträgen oder privaten Krankenversicherungen. Auch den treibenden Faktor hat Wesselhoeft ausgemacht: die hohen Abschlussprovisionen und Incentive-Reisen. „Negativer Höhepunkt war zweifelsohne die Lustreise nach Budapest für Vertriebsmitarbeiter des Ergo-Vorgängers Hamburg-Mannheimer“, sagt Wesselhoeft.
Streit in der BrancheEin Umdenken der gesamten Branche sei notwendig, sagt der künftige VDVM-Vorsitzende. Nun ist er klug genug, um zu wissen, dass dies nicht so einfach per Appell zu erreichen ist. Offenbar soll die klare Ansage dann wenigstens Distanz zwischen den problembeladenen Teilen der Assekuranz und dem VDVM schaffen. Denn klar ist: „Das Bild der Versicherungswirtschaft und mit ihr das der Vermittler in ihrer Gesamtheit hat stark gelitten.“
Dass sich die gesamte Branche dem Verband nicht einfach anschließt, ergibt sich schon aus den tiefgehenden Differenzen in Sachfragen. So unterstützt der VDVM die Höchstgrenze für Provisionen in der privaten Krankenversicherung. Ganz anders der Bundesverband der Versicherungskaufleute und sein robuster Vorsitzender Michael Heinz, der Vertreter und Makler vertritt. „Wir lassen doch eine Branche nicht diskriminieren, weil es einige schwarze Schafe gibt“, empört sich Heinz.
Großmakler, kleinere Vermittler und Vertreter eint, dass der Berufsstand insgesamt in keiner einfachen Situation ist. Zwar haben die großen und mittelgroßen Firmen in den vergangenen Jahren gut verdient. Doch spüren sie jetzt die Folgen der Finanzkrise – Käuferzurückhaltung bei langfristigen Festlegungen in der Altersversorgung, verstärkter Kostendruck bei Unternehmen und Bemühungen der Versicherer, ihrerseits die Kosten niedrig zu halten. Nur in der privaten Krankenversicherung verdienen einige Vermittlungsunternehmen noch sehr gut. Aber gerade hier greift der Gesetzgeber ab 2012 ein.
Zwar sorgt die scharfe Konkurrenz der Assekuranzunternehmen dafür, dass erstklassige Verkäufer immer noch gute Konditionen aushandeln können, ob als Vertreter oder Makler. Doch bei Vermittlern, die nicht brillieren, gehen die Gesellschaften auf Kostensenkungskurs. Dazu kommen neue Trends. Die Onlinevergleichsportale gewinnen eine starke Stellung im Verkauf von Autopolicen und nehmen sich gerade die übrigen Privatkundensparten vor. Die Autokonzerne wollen das Geschäft mit der Mobilität ganz unter Kontrolle haben und bieten mit dem Neuwagen auch gleich die Versicherung an. Und die Maklerpools, die sich kleinen Maklern als Abwicklungs- und Haftungsdach zur Verfügung stellen, gehen aggressiv im Markt vor.
Rund 45 000 Versicherungsmakler sind zugelassen, und ihre Zahl steigt. Denn viele Vertreter wechseln aus dem Status, an einen oder mehrere Versicherer fest gebunden zu sein, in den Maklerberuf. Insgesamt gibt es mehr als 260 000 zugelassene Versicherungsvermittler in Deutschland. Wesselhoeft ist das zu viel: „In Großbritannien mit einer nur 25 Prozent niedrigeren Bevölkerungszahl sind nur 13 500 Vermittler registriert.“ Und auch bei der Maklerzahl hat sein Verband ein Problem – viele von den 45 000 hätten nur mit einem oder zwei Versicherern Maklervereinbarungen. Das seien eigentlich noch Vertreter und keine Makler.
In dieser Situation muss die Branche mit einer politischen Debatte um Vertriebsmethoden und Abschlussprovisionen fertig werden. Die EU-Kommission und Teile der Bundesregierung, vor allem Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner, wollen die Honorarberatung fördern. Dabei zahlt der Kunde über eine Gebühr für die Beratung.
Den Vertrieb über Provisionen dagegen sehen sie kritisch – und finden sich dabei in guter Gesellschaft von EU-Ländern, die entweder wie in Skandinavien Provisionen mehr oder weniger ganz verboten haben oder aber, wie die Niederlande, scharfe Einschränkungen vorbereiten.
Die deutschen Makler sind geschlossen gegen eine solche Regulierung. Dabei wissen Peter Wesselhoeft und seine Kollegen genau, dass die Imageprobleme der Assekuranz in diesem Kampf sehr hinderlich sind. Die Rückbesinnung auf den ehrbaren Kaufmann in einem kleinen Teil der Branche dürfte daran wenig ändern.
Quelle: Financial Times Deutschland
Dieser Beitrag ist nur für Premium-Abonnenten vom Versicherungsmonitor persönlich bestimmt. Das Weiterleiten der Inhalte – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Bitte bedenken Sie: Mit einer von uns nicht autorisierten Weitergabe brechen Sie nicht nur das Gesetz, sondern sehr wahrscheinlich auch Compliance-Vorschriften Ihres Unternehmens.
Diskutieren Sie mit
Kommentare sind unseren Abonnenten vorbehalten. Bitte melden Sie sich an oder erwerben Sie hier ein Abo