Versicherungen, die ergänzenden Schutz gegen schwere Krankheiten bieten,bedeuten für Kunden vor allem mehr Bürokratie
Wer Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist, auf den wartet erst mal eines: das Wartezimmer. Der direkte Weg zum Behandlungsraum ist meist verstellt – und Ausnahmen machen die Mediziner da nur höchst selten. Für alle GKV-Mitglieder, die zumindest für den Fall einer ernsthaften Erkrankung bevorzugt behandelt werden wollen, gibt es spezielle private Zusatzversicherungen. Sie sind vergleichsweise günstig, allerdings nicht immer sinnvoll.
Wer mehr als derzeit 49 500 Euro im Jahr verdient, Beamter oder Selbstständiger ist, darf in die private Krankenversicherung (PKV) wechseln. Viele Gutverdiener bleiben aber freiwillig in der GKV, etwa weil es dort die beitragsfreie Mitversicherung von Ehepartnern und Kindern gibt. Beispiel: Herbert Wartensleben, ein bekannter Fachanwalt für Medizinrecht und als Selbstständiger freiwilliges Mitglied der GKV. Er darf beim Arzt meistens gleich ins Behandlungszimmer gehen, erzählt er – das liegt aber daran, dass sich die Mediziner von ihm wertvolle Tipps erhoffen. Für alle anderen freiwilligen GKV-Mitglieder klingen die Angebote für die speziellen Zusatzversicherungen verlockend: Wer an einer vorher definierten ernsthaften Erkrankung wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Krebs erkrankt, erhält die Vorteile von Privatpatienten.
Bislang gibt es erst wenige Angebote. Die Württembergische Krankenversicherung vertreibt seit 2010 ein Produkt, dem sie intern den Titel „Katastrophenschutzpolice“ gegeben hat. Es soll den Patienten im ambulanten Bereich den Status eines Privatversicherten geben, sobald eine der definierten Krankheiten diagnostiziert wird. Damit sollen nicht nur die Wartezeiten bei niedergelassenen Ärzten kürzer werden als für den normalen GKV-Patienten, sondern er soll auch eine bessere Behandlung erhalten, wirbt der Versicherer. „Man ist viel freier in der Therapiewahl und kann etwa bessere Medikamente erhalten“, sagt Bernd Schlotter, Leiter der Leistungsabteilung bei der Württembergischen. Der Status des Privatpatienten bleibt auch nach Abschluss der Behandlung erhalten. Wer bereits einen Infarkt, Schlaganfall oder eine Krebserkrankung erlitten hat, wird allerdings gar nicht erst aufgenommen.
Und es gibt einen großen Haken: Um den Privatpatientenstatus zu erhalten, muss der Versicherte bei seiner Krankenkasse in den Wahltarif Kostenerstattung wechseln. Er erhält dann vom Arzt für die Behandlung eine Rechnung, die er bei der Kasse einreicht. Sie zahlt ihren gesetzlichen Anteil, den Rest sollte die Zusatzpolice übernehmen. Es kann aber Fälle geben, in denen der Patient auf einem Eigenanteil sitzen bleibt. Vor allem bedeutet die Rechnungsstellung mehr Bürokratie, die man gerade, wenn man krank ist, nicht haben möchte.
Der Tarif sei deshalb auch im Vertrieb kein Selbstläufer, gibt Schlotter zu. „Es kommt darauf an, wie man es den Kunden nahebringt. Wenn man als Erstes erklärt, was Kostenerstattung ist, hat man schon verloren.“
Leistungen gibt es allerdings auch schon vor der Diagnose einer ernsten Krankheit und einem Tarifwechsel. So können Zusatzversicherte mehr Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch nehmen, als im GKV-Leistungskatalog vorgesehen sind, erklärt Schlotter. Eine Darmspiegelung zur Krebsvorsorge etwa wird regulär erst für Menschen ab 55 Jahren bezahlt.
Dieses Argument lässt Michael Wortberg, Versicherungsexperte bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz, aber nicht gelten. „Generell sollte man mit ambulanten Zusatzversicherungen vorsichtig sein.“ Wer Fälle von Darmkrebs in der Familie hat, bekomme die Vorsorgeuntersuchung auch lange vor dem 55. Lebensjahr bezahlt, nennt er als Beispiel.
Ohnehin liege der Fokus bei den benannten versicherten Erkrankungen auf einer meist langwierigen Behandlung im Krankenhaus, sagt Wortberg. Auch für diesen Fall gibt es eine Zusatzversicherung. Sie kommt von der Central, die zum Generali-Konzern gehört. Im Krankheitsfall zahlt sie für ein Ein- oder Zweibettzimmer in der Klinik und für die Chefarztbehandlung. Ein 30-jähriger Mann zahlt dafür im Monat eine Prämie von 17,64 Euro. Für rund das Doppelte gibt es allerdings schon vollwertige Krankenhauszusatzversicherungen, die bei jedem Klinikaufenthalt zahlen. „Ich würde eine stationäre Zusatzversicherung nie einschränken. Andere Krankheitsbilder sind doch viel wahrscheinlicher“, sagt Verbraucherschützer Wortberg.
Ein Vorreiter auf dem Gebiet der Zusatzleistungen bei schweren Krankheiten war ausgerechnet die gesetzliche Krankenkasse AOK Rheinland/Hamburg. Schon seit 2006 bietet sie im Rheinland über ihren privaten Partner UKV eine Zusatzpolice an, die bei Krebs und Verdacht auf Krebs zusätzliche Leistungen zahlt. Das Angebot ist ein Anhängsel eines Naturheilkundetarifs. „Die Mehrleistungen dieses Tarifs bei der besonders schweren Diagnose Krebs passen hervorragend zum Thema der naturheilkundlichen Behandlung, und diese spielt unterstützend und begleitend zur Schulmedizin eine immer größere Rolle“, heißt es bei der AOK. Bei dem Angebot kritisierten Verbraucherschützer das „Geschäft mit der Angst“- nicht einmal die Chefarztbehandlung wird bezahlt. Die AOK hielt am Tarif fest. Derzeit hat er aber nur 519 Kunden. Die Kasse überlegt, ihn im kommenden Jahr einzustellen.
Katrin Berkenkopf
Quelle: Financial Times Deutschland
Dieser Beitrag ist nur für Premium-Abonnenten vom Versicherungsmonitor persönlich bestimmt. Das Weiterleiten der Inhalte – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Bitte bedenken Sie: Mit einer von uns nicht autorisierten Weitergabe brechen Sie nicht nur das Gesetz, sondern sehr wahrscheinlich auch Compliance-Vorschriften Ihres Unternehmens.
Diskutieren Sie mit
Kommentare sind unseren Abonnenten vorbehalten. Bitte melden Sie sich an oder erwerben Sie hier ein Abo