Versicherer springen ein, wenn Kunden Opfer von Kriminalität werden. Manchmalaber hat Justizia etwas dagegen
Es geht bisweilen kurios zu im Versicherungsuniversum: Wer unterwegs auf offener Straße von einem Kriminellen mit dem Messer bedroht und beraubt wird, hat gute Chancen, das entwendete Portemonnaie oder iPad vom Hausratversicherer erstattet zu bekommen. Und das, obwohl sich der Versicherte gar nicht in den eigenen vier Wänden aufgehalten hat.
Stiehlt jedoch der Handwerker einen wertvollen Ring aus der Schmuckkiste im Bad, kommt der Hausratversicherer dafür nicht auf. Denn er zahlt nur bei Einbruch, also wenn sich an Türen oder Fenstern Spuren befinden, die zeigen, dass ein Krimineller sich unerlaubt Zutritt verschafft hat. Bei einem Raubüberfall ist der Ort des Verbrechens dagegen egal.
In beiden Fällen müssen Versicherte den Wert der entwendeten Gegenstände belegen können, um sie vom Hausratversicherer ersetzt zu bekommen. „Nach der Anzeige bei der Polizei sollten Einbruchsopfer zuallererst eine Liste erstellen, in der sie aufzählen, welche Gegenstände gestohlen wurden“, sagt ein Sprecher des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). „Die müssen sie unverzüglich beim Versicherer einreichen.“ Außerdem müssen sie nachweisen, dass sie die teure Rolex oder das Perlencollier auch wirklich besessen haben.
„Dabei helfen Kaufquittungen oder Fotos, auf denen sie das Schmuckstück tragen“, sagt der GDV-Sprecher. Auch für Schäden durch Vandalismus in den eigenen vier Wänden kommt der Versicherer auf. Betroffene sollten auch diese Schäden möglichst umfangreich mit der Kamera festhalten. „Der Versicherer prüft zudem, ob Haus oder Wohnung abgeschlossen und ob die Fenster nur angekippt waren“, sagt Marc Jacobs, Versicherungsmakler aus Aachen. „Waren Fenster oder Balkontür nicht verschlossen, kann das die Leistung einschränken.“
In den meisten Policen nicht mitversichert ist dagegen einfacher Diebstahl, also wenn Räuber Handtasche oder Geldbeutel entreißen und weglaufen oder den Geldbeutel im Gedränge aus dem Rucksack stehlen. Ob es sich bei einem Fall um Trickdiebstahl und Raub handelt – darüber streiten sich Kunden und Versicherer immer wieder vor Gericht. Entscheidend ist oft, ob der Täter körperliche Gewalt angewendet hat, um an den Besitz seines Opfers zu kommen, sagt der GDV-Sprecher.
Raub liegt vor, wenn ein Autofahrer von einem vorausfahrenden Fahrer zum Anhalten gezwungen wird, um ihn auszurauben. So hat das Landgericht Ulm entschieden (Az.: 1 S 129/09). Das Ausbremsen des Wagens stelle schon eine Art Gewaltausübung dar, argumentierten die Richter. Gehen die Täter gewiefter vor und verkleiden sich als Pannenhelfer, die dem Fahrer eines liegen gebliebenen Wagens helfen wollen, diesen stattdessen aber in einem unbeobachteten Moment leerräumen, gehen die Betroffenen leer aus – die Kriminellen haben keine Gewalt angewendet.
Auch bei körperlichen Schäden prüft der Versicherer die Umstände. Die private Unfallversicherung zahlt für bleibende körperliche Schäden. Das Opfer erhält für dauerhaft beeinträchtigte Körperteile einen Prozentsatz der vereinbarten Versicherungssumme. Das gilt allerdings nur für den, der von einem anderen angegriffen wird. „Wer sich als Außenstehender in eine Prügelei einmischt und selbst zuschlägt, begeht eine Straftat und bekommt nichts“, sagt eine Sprecherin der Ergo Versicherung. Das gilt auch, wenn der Betroffene nur schlichtend eingreifen wollte.
Seine Unschuld dem Versicherer beweisen kann das Opfer über ein Protokoll der Polizei und Zeugenaussagen. Er sollte glaubhaft schildern können, dass er angegriffen wurde und nicht selbst der Angreifer war. „Da entscheiden wir aber je nach Sachlage“, sagt die Ergo-Sprecherin.
Sehr genau prüfen die Versicherer das Geschehene auch bei einem Mord, wenn das Opfer eine Risikolebensversicherung abgeschlossen hatte. Das kann aber dauern, denn die Gesellschaften sehen sich den Vertrag noch einmal ganz genau an. „Stellt sich heraus, dass der Begünstigte die Tat begangen hat, fließt das eingezahlte Geld in den Nachlass“, sagt ein Sprecher der Debeka. Angehörige müssen meist die Sterbeurkunde, Police und eine Kopie des Personalausweises des Begünstigten einreichen. Gehört er zum Verdächtigenkreis, müssen die Angehörigen mit der Auszahlung bis zum Abschluss der Ermittlungen warten. Den erfährt das Unternehmen etwa über Presseberichte oder Anfragen der Staatsanwaltschaft.
Anne-Christin Gröger
Quelle: Financial Times Deutschland
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