Kunden kaufen Policen immer öfter im Internet oder bei unabhängigenVermittlern
Friederike Krieger und Jonas Tauber
Plutoniumdrache, Zungendämon, Netz-Troll – in dem Gesellschaftsspiel „Munchkin“ von Steve Jackson muss der Spieler gegen vielerlei Monster kämpfen, um zu gewinnen. Eines der Ungetüme, auf die er dabei trifft, ist der bösartige Versicherungsvertreter. Schafft der Spieler es nicht, sich gegen diesen zu behaupten, drängt der ihm für viel Geld Verträge auf, die er gar nicht benötigt.
Das entspricht in etwa dem Bild, das der Durchschnittsbürger von Vertretern hat. Viele Kunden halten die Abgesandten der Versicherer für Abzocker – und suchen deshalb nach Alternativen, vor allem im Internet.
Onlineportale wie Check24, über die Kunden Kfz-Policen und andere Verträge vergleichen und abschließen, erleben einen hohen Zulauf. Den Versicherern bereitet diese Entwicklung Sorgen. Es droht ein Kontrollverlust. In der Hotelbranche haben Vergleichsportale wie HRS den eigenen Buchungssystemen der Hotelkonzerne längst den Rang abgelaufen. Sie können die Konditionen diktieren, und die Kunden halten sich eher loyal an HRS als an eine bestimmte Hotelkette.
Der Versicherer HUK-Coburg hat bereits die Flucht nach vorn angetreten. Der führende deutsche Autoversicherer hat gemeinsam mit WGV und Talanx den Check24-Konkurrenten Aspect Online übernommen und die neue Marke Transparo im September 2011 werbewirksam an den Start gebracht – mit Erfolg. Laut einer Analyse der GfK-Tochter Sirvaluse besuchten von Oktober bis November 2011 rund 780 000 potenzielle Kunden das Portal. Damit übertrumpfte Transparo die meisten Versicherer-Websites, blieb jedoch deutlich hinter Check24 mit seinen 3,2 Millionen Nutzern zurück.
Der Kampf um die Vorherrschaft im Netz gehe auf Kosten der Transparenz, meint Ulrich Wiesenewsky von der Unternehmensberatung Towers Watson. „Ein Grund dafür ist, dass nicht jede Gesellschaft auf jedem Vergleichsportal vertreten ist oder Gesellschaften nur bestimmte Tarife online stellen“, sagt er. Bei Check24 sind keine Tarife von Ergo Direkt, HDI24, HUK-Coburg, HUK24, WGV und WGV-Himmelblau gelistet. Bei Transparo fehlt die Allianz. Kunden müssen für eine umfassende Suche verschiedene Plattformen besuchen und viel Zeit investieren. „Am Ende werden sich die Portale durchsetzen, die den Kunden den größten Marktüberblick bieten“, sagt Wiesenewsky.
Er rechne damit, dass die Plattformen ihre Bedeutung im deutschen Markt weiter ausbauen. Experten prognostizieren für Großbritannien, dass Online-Vermittler in den nächsten zwei bis drei Jahren in einigen Produktkategorien wie Kfz-Haftpflicht auf einen Marktanteil von bis zu 60 Prozent kommen werden. „Entwicklungen auf dem britischen Versicherungsmarkt kommen oft zeitverzögert in ähnlicher Form nach Deutschland“, sagt Wiesenewsky. Er glaube aber nicht, dass der Versicherungsvertrieb komplett ins Internet abwandert. Nur einfache Verträge wie Kfz-, Unfall-, oder Reiseversicherungen würden sich für den Onlineverkauf eignen. Bei komplexeren Policen sei der Beratungsbedarf zu hoch, sagt Wiesenewsky. Verträge zur betrieblichen Altersvorsorge, fondsgebundene Policen mit Garantien und Berufsunfähigkeitsversicherungen seien nicht unbedingt das Spezialgebiet von Vertretern. „Hier spielen Makler eine große Rolle“, sagt er.
Diese wiederum fühlen sich oft trotz ihrer wachsenden Bedeutung von den Versicherern schlecht behandelt. Sie sind verärgert, weil sie viel Zeit mit Anrufen in den Callcentern der Gesellschaften verlieren. Auch ein einheitlicher Zugang zu den passwortgeschützten Internetangeboten aller Versicherer fehlt noch. Über diese Extranets können Makler bestehende Verträge verwalten, den Status eines angebahnten Geschäfts abfragen oder direkt mit Sachbearbeitern kommunizieren. Das Problem: Jedes Unternehmen stellt einen separaten Zugang zur Verfügung, samt Kennung und Passwort. „Es ist ein Unding für Makler, die für zig Gesellschaften tätig sind, dass sie sich bei jedem Versicherer einzeln anmelden müssen“, sagt Dietmar Bläsing, Vertriebsvorstand beim Volkswohl Bund.
Das Maklerportal des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), das dieses Problem lösen soll, stößt auf wenig Gegenliebe. Um das System zu nutzen, müssen die Makler sich einmalig über das Portal bei den Gesellschaften einwählen, mit denen sie arbeiten. Von da an brauchen sie sich nur noch im Portal einzuloggen, um ihre Bestände zu verwalten. „Wir als Verband haben immer gesagt, dass wir ein GDV-System nicht unterstützen werden“, sagt Michael Heinz, Makler und Präsident des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute. Er möchte nicht, dass sensible Maklerdaten durch die Hände des Versichererverbands gehen. Es gibt zwar ein Konkurrenzsystem namens Easy Login, das auf eine Brancheninitiative von sieben Versicherern und einem Maklerverbund zurückgeht. Die meisten Anbieter nehmen allerdings an keinem der Systeme teil.
Skepsis gegenüber PoolsViele Vermittler kooperieren wegen dieser Widrigkeiten mit Maklerpools wie BCA oder Jung, DMS & Cie. Diese Verbünde handeln mit Versicherern Verträge aus und übernehmen die technische Abwicklung einschließlich der Provisionsabrechnung. Der Assekuranz garantiert die Kooperation mit Pools viel Geschäft auf einen Schlag. Andererseits geht der direkte Kontakt zu den Maklern immer mehr verloren – mit höchst negativen Konsequenzen: „Es besteht die Gefahr, dass Vermittler, von denen wir uns aus Qualitätsgründen getrennt haben, etwa weil sie ein hohes Storno hatten oder unsaubere Geschäftsgebaren, doch wieder über Blindpools mit uns Geschäfte machen“, sagt Bläsing vom Volkswohl Bund. Bei Blindpools reichen Vermittler Versicherungsverträge anonym ein. Zusammen mit Ideal-Chef Rainer Jacobus fordert Bläsing mehr Transparenz von den Pools, was angeschlossene Vermittler, Eigentumsverhältnisse und die wirtschaftliche Situation der Verbünde angeht. Wie bei den Online-Portalen droht hier Kontrollverlust.
Quelle: Financial Times Deutschland
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