Der Umgang mit Alzheimerpatienten ist nicht nur für Angehörige schwierig.Auch die Assekuranz ist beim Prozedere oft uneins
Die Diagnose Alzheimer hat den ehemaligen Schalke-Manager Rudi Assauer und seine Familie schockiert – und nach dem Bekanntwerden der Erkrankung auch die Öffentlichkeit. Wer mit so einer Nachricht konfrontiert wird, hat anderes zu tun, als die Diagnose seinem privaten Haftpflichtversicherer zu melden. Das muss er auch nicht, sagen in seltener Einmütigkeit der Branchenverband der Versicherer und Verbraucherschützer. „Es gibt keine Meldepflicht, wenn eine versicherte Person an Alzheimer oder an einer Demenz erkrankt“, sagt ein Sprecher des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft. „Nicht meldepflichtig“, heißt es auch beim Bund der Versicherten.
Formaljuristisch mag das so sein. Im wahren Leben aber können Probleme entstehen, wenn der Versicherer nicht Bescheid weiß – sagt die Deutsche Alzheimer Gesellschaft. Erkrankte und Angehörige machten immer wieder die Erfahrung, dass Versicherer mit Hinweis auf die nicht erfolgte Meldung die Schadenregulierung verweigern. „Ich empfehle, bei der Diagnosestellung den Haftpflichtversicherer zu informieren“, sagt Bärbel Schönhof, zweite Vorsitzende der Deutschen Alzheimer Gesellschaft.
Patienten mit einer fortgeschrittenen Demenz brauchen rund um die Uhr Betreuung. Trotzdem besteht immer die Gefahr, dass sie größere Schäden verursachen. Hat die Erkrankung völlig Besitz von ihnen ergriffen, gelten sie juristisch als schuldunfähig. Das bedeutet, dass sie nicht haftbar gemacht werden können, wenn sie anderen einen Schaden zufügen. Das heißt allerdings auch, dass eine herkömmliche private Haftpflichtversicherung nicht zahlen muss. Viele Haftpflichtversicherer bieten Zusatzklauseln an, die den Schutz für „Deliktunfähige“ einschließen. Gemeint sind damit in der Regel Kinder, die bis zum siebten Lebensjahr ebenfalls als schuldunfähig gelten.
Ob die Haftpflichtpolice einen Zusatz für Deliktunfähige hat oder nicht – nach der Diagnose Demenz sollten Kunden den Versicherer benachrichtigen, sagt Schönhof von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. „Bei einem Schaden versuchen die Versicherer immer wieder, sich aus der Affäre zu ziehen“, sagt die Anwältin. Das gilt vor allem, wenn unklar ist, wie weit die Krankheit fortgeschritten ist. Versicherer reagieren auf die Meldung der Demenz-erkrankung unterschiedlich. „Sie haben aufgrund der Gefahrenerhöhung die Möglichkeit zu kündigen“, sagt sie. „Aber davon machen sie nur vereinzelt Gebrauch.“ Manche Anbieter erhöhen die Prämie, andere lassen den Vertrag wie gehabt laufen.
Ist eine private Unfallversicherung vorhanden, sollten Betroffene oder Angehörige ebenfalls klären, ob der Schutz bestehen bleibt. In alten Verträgen sind Alzheimer und Demenz meistens ausgeschlossen. Zwar haben einige Versicherer bei neueren Policen die Bedingungen geändert. Aber hier lohnt sich der Blick ins Kleingedruckte. Manche Anbieter zahlen nur, wenn der Unfall in keinem Zusammenhang mit der Erkrankung steht.
Wer nicht riskieren will, dass im Fall der Fälle Fremde die Verfügungsgewalt über kapitalbildende Versicherungen und das übrige Vermögen erhalten, sollte beizeiten eine Vorsorgevollmacht ausstellen. „Oft wird die Diagnose Demenz so spät gestellt, dass der Erkrankte bereits geschäftsunfähig ist“, sagt Schönhof. Dann kann er auch keine Vollmacht mehr schreiben. Ehepartner haben nicht automatisch die Finanzhoheit – wie der Fall Assauer zeigt. Der ehemalige Manager lebt bei seiner Tochter, seine Ehefrau bestimmt weder über seinen Aufenthaltsort noch über seine Geschäfte. Ist keine Vollmacht vorhanden und der Kranke geschäftsunfähig, bleibt nur noch der Gang zum Vormundschaftsgericht.
Eine Police sollte nach der Diagnose auf jeden Fall nicht gekündigt werden, rät Schönhof: die Rechtsschutzversicherung. Die leistet gute Dienste, wenn es etwa Streit mit der Pflegeversicherung über die Bestimmung der Pflegestufe gibt. Wer privat krankenversichert ist, ist auch in der privaten Pflegepflichtversicherung. Die Leistungen der gesetzlichen und der privaten Pflegeversicherung unterscheiden sich nicht. Dass sie ausreichen, ist trotz aller von der Regierung versprochenen Verbesserungen gerade für Demenzkranke unwahrscheinlich. Deshalb hält Schönhof den Abschluss einer privaten Pflegezusatzversicherung für sinnvoll.
Ärger kann es auch leicht mit der Kfz-Versicherung geben. Zum Krankheitsbild gehört, dass Patienten nicht einsehen, dass sie zum Beispiel nicht mehr Auto fahren können. Setzen sie sich hinters Steuer und verursachen einen Schaden, zahlt der Kfz-Haftpflichtversicherer zwar. „Aber er kann sich einen Teil des Schadens bei dem Demenzkranken wiederholen“, sagt Schönhof. Neuerdings versuchen die Versicherer immer häufiger, Ärzte in Regress zu nehmen. Denn Mediziner müssen Patienten auf eine bestehende Fahruntüchtigkeit aufmerksam machen. Versäumen sie das, oder dokumentieren sie ihre Ermahnung nicht, ist das ein Fall für ihre Berufshaftpflichtversicherung.
Anja Krüger
Quelle: Financial Times Deutschland
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