Niedrigzinsen machen Lebensversicherungen zu schaffen. Der Garantiezins stehtauf der Kippe
Früher war die Kapitallebensversicherung der unangefochtene Bestseller der Finanzbranche. Heute ist sie ihr Sorgenkind. Denn den Versicherern machen die anhaltend niedrigen Zinsen zu schaffen. Sie können mit ihren Kapitalanlagen nicht genug Gewinn für sich und ihre Kunden einfahren. „Das Modell der Lebensversicherung ist nicht für die Niedrigzinsphase gebaut worden“, sagt der Chef des mächtigen Rückversicherers Munich Re, Nikolaus von Bomhard.
Die Geschäftsmodelle der klassischen Lebens- und der privaten Rentenversicherung sehen vor, dass der Anbieter dem Kunden bei Vertragsabschluss eine Mindestverzinsung verspricht. Sie wird auf den Teil des Beitrags gewährt, der nach Abzug aller Kosten angespart wird. Die Garantie gilt für die ganze Laufzeit. Bei älteren Policen liegt sie bei 4 Prozent, bei neuen bei 1,75 Prozent.
Außerdem gewähren die Versicherer eine weitere Beteiligung an den Kapitalerträgen, die laufende Verzinsung. Sie wird jährlich festgelegt. Garantie- und laufende Verzinsung ergeben die Überschussbeteiligung. Die liegt im Branchenschnitt bei knapp vier Prozent. Nach Berechnungen des Branchendienstes map-report hat sie sich in den vergangenen zehn Jahren jedoch halbiert.
Die Versicherer versuchen, mit Investments in Anlagen wie Einzelhandelsimmobilien oder Windparks den niedrigen Zinsen an den Kapitalmärkten zu entkommen. Aber eine Trendwende ist nicht in Sicht. „Die durchschnittliche Verzinsung wird in absehbarer Zeit unter die 4 Prozent fallen“, sagt Maximilian Zimmerer, der den Fachausschuss Lebensversicherung im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) leitet und Chef der Allianz Leben ist.
Die Obergrenze für die Garantie bei klassischen Policen legt der Gesetzgeber fest. Sie ist zu Jahresbeginn von vorher 2,25 Prozent auf 1,75 Prozent gesunken. Die LV 1871 ist der nach eigenen Angaben bislang einzige Versicherer, der mit 2,25 Prozent bei bestimmten Verträgen an der alten Garantie festhält. Möglich ist das, weil die LV 1971 diese Policen über eine Tochter in Liechtenstein anbietet. Nachteil: Die Verträge unterstehen nicht der deutschen Aufsicht, bei einem Crash greifen die deutschen Sicherheitsnetze nicht.
Die LV 1871 verhält sich gegen den Trend. In der Branche werden immer mehr Stimmen laut, die sich für eine Abschaffung der Garantie für die gesamte Vertragslaufzeit aussprechen. Denkbar wäre, dass die Versicherer den Garantiezins für eine festgelegte Zeitspanne zusagen und ihn in bestimmten Abständen an die jeweilige Kapitalmarktlage anpassen. Druck auf die Versicherer in dieser Frage gibt es auch von der Europäischen Union. Die neue Eigenkapitalrichtlinie Solvency II zwingt die Anbieter, für Garantien deutlich mehr Eigenkapital vorzuhalten als heute.
Unter Druck geraten die Lebensversicherer auch durch eine andere EU-Vorgabe. Ab 21. Dezember 2012 dürfen sie nur noch Unisex-Tarife anbieten, also bei der Kalkulation das Geschlecht nicht mehr berücksichtigen. Private Rentenpolicen werden so für Männer teurer. Bislang müssen Frauen wegen der längeren Lebenserwartung höhere Beiträge zahlen, um die gleiche Monatsrente zu bekommen. Die Versicherer hoffen auf einen Schlussverkaufsboom, fürchten aber, dass die Policen für Männer angesichts konkurrierender Altersvorsorgeverträge unattraktiv werden.
Anja Krüger
Quelle: Financial Times Deutschland
Dieser Beitrag ist nur für Premium-Abonnenten vom Versicherungsmonitor persönlich bestimmt. Das Weiterleiten der Inhalte – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Bitte bedenken Sie: Mit einer von uns nicht autorisierten Weitergabe brechen Sie nicht nur das Gesetz, sondern sehr wahrscheinlich auch Compliance-Vorschriften Ihres Unternehmens.
Diskutieren Sie mit
Kommentare sind unseren Abonnenten vorbehalten. Bitte melden Sie sich an oder erwerben Sie hier ein Abo