Mit Policen gegen Mobbing und Verleumdung im Internet gehen Versicherer aufKundenfang
Für jeden Nutzer des Internets ist es ein Albtraum, nach dem Einschalten des Computers bei Twitter üble Beschimpfungen über sich zu lesen. Oder in einem Blog verleumdet zu werden. Betroffene wissen meist nicht, wie sie reagieren sollen, und fühlen sich den Beschimpfungen hilflos ausgeliefert. Sie fürchten Konsequenzen im Berufsleben, etwa wenn der Chef von den Schimpftiraden Wind bekommt und glaubt, dass darin zumindest ein kleines Fünkchen Wahrheit steckt.
Versicherer haben jetzt die Furcht der Internetnutzer vor einem beschädigten Onlineimage als Geschäftsfeld entdeckt und bieten spezielle Policen gegen Onlinemobbing an. Derzeit verkaufen diese Verträge Axa und Swiss Life – bislang allerdings nur an französische Privatleute, die sich gegen Rufmord, Beleidigung oder die Veröffentlichung intimer Details im Internet versichern wollen. Protection familiale intégrale heißt die Police bei der Axa, E-Reputation bei der Swiss Life. Die Axa will dafür mindestens 13 Euro pro Monat haben, Swiss Life verlangt 9,90 Euro pro Monat. Die Axa kommt im Schadenfall für einen Anwalt, die psychologische Betreuung des Betroffenen, aber auch für die Säuberung des Internets von den Beschimpfungen auf. „Dazu gibt es die Möglichkeit, die Betreiber von Internetseiten dazu aufzufordern, bösartige Eintragungen zu löschen“, sagt Sprecherin Clotilde du Fretay.
Das übernehmen dann spezielle Firmen, mit denen Axa zusammenarbeitet. Sie können auch Internetinhalte und -seiten so gestalten, dass Google sie beim Suchen höher rankt als die Schmähseiten. Die Versicherungssumme liegt bei maximal 10 000 Euro, sagt du Fretay. Darin inbegriffen sind Kosten für einen Anwalt, psychologische Hilfe und eine Entschädigung. Seit Januar ist die Police auf dem Markt. Axa hat nach eigenen Angaben bereits 4403 Verträge verkauft. Wenn der Verkauf weiter gut läuft, können sich die Franzosen auch vorstellen, das Geschäftsmodell nach Deutschland zu bringen. Derzeit sei ein entsprechendes Angebot jedoch nicht geplant, sagt eine Sprecherin der deutschen Tochter.
Verbraucherschützer stehen der Geschäftsidee skeptisch gegenüber. „Die Versicherungssumme ist viel zu gering, um im Schadenfall wirklich etwas ausrichten zu können“, sagt Axel Kleinlein, Vorstandsvorsitzender des Bundes der Versicherten (BdV).
Zudem sei völlig unklar, wann der Versicherungsfall überhaupt eintritt. „Der Versicherer wird ja vorher prüfen, ob es sich wirklich um Verleumdungen im Internet handelt oder ob bestimmte Kritikpunkte der Wirklichkeit entsprechen.“ Berechtigte Kritik an Einzelpersonen könne dann auf Kosten eines Versicherers aus dem Netz entfernt werden. Kerstin Becker-Eiselen von der Verbraucherzentrale Hamburg ist überzeugt: „Eine Rechtsschutzpolice stellt eine vernünftige Alternative zu den Anti-Mobbing-Verträgen dar.“ Die komme genauso für einen Anwalt auf und spare Geld.
Anne-Christin Gröger
Quelle: Financial Times Deutschland
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