Versicherer expandiert nach Schweden // Reaktion auf Probleme im deutschenMarkt für Privatrechtsschutz
Herbert Fromme , Düsseldorf
Der Versicherer Arag baut das internationale Geschäft weiter aus. In diesem Monat nimmt eine Niederlassung der norwegischen Help Forsikring, an der Arag 44 Prozent hält, in Schweden das Geschäft auf. Das kündigte Arag-Eigner und Konzernchef Paul-Otto Faßbender im FTD-Interview an. Künftig versichert diese Gesellschaft per Gruppenvertrag alle Mitglieder der Gewerkschaft Svenska Elektrikerförbundet in der Privatrechtsschutzversicherung. In Norwegen gehören bereits mehrere Gewerkschaften zu den Großkunden von Help.
Das Konzept Privatrechtsschutz ist in den nordischen Ländern bislang wenig bekannt. Help wurde 2005 gegründet, seit 2007 sind die Düsseldorfer beteiligt. „Wir sehen in Skandinavien großes Wachstumspotenzial“, sagte Faßbender.
Mit dem Schritt reagiert Arag auf die Probleme im deutschen Markt. Beim Privatrechtsschutz sinkt hier der Marktanteil, das Düsseldorfer Unternehmen liegt hinter den wichtigsten Rivalen DAS und Allianz. Arag hat heute einen Marktanteil von 9,6 Prozent, in den 60er-Jahren waren es noch mehr als 40 Prozent – damals durften nur Spezialversicherer das Geschäft betreiben, heute steht es allen Gesellschaften offen. Wachstum verzeichnet Arag in der ursprünglichen Hauptsparte nur noch im Ausland.
„Die Wende in Deutschland zu schaffen ist sicherlich eine unserer wichtigsten Baustellen“, räumte Faßbender ein. Als deutschen Rechtsschutzversicherer könne man den Konzern allerdings schon lange nicht mehr bezeichnen. Von den 1,5 Mrd. Euro Gesamteinnahmen stammen 714 Mio. Euro aus dem Ausland. Der Versicherer ist in 14 Ländern tätig, darunter auch die USA. Auch die Turbulenzen an den Finanzmärkten sind ein Grund für die Expansion, die Faßbender rasch vorantreiben will. „Ich bin der festen Überzeugung, dass die Finanzmarktkrise nicht vorbei ist“, sagte er. Deshalb sei Diversifikation sowohl geografisch als auch bei den Versicherungssparten von hoher Bedeutung.
Das Unternehmen im Familienbesitz hat im November 2011 seine Rechtsform von einer AG in die einer Societas Europaea (SE) geändert. Ein Grund: „Wir haben weniger Komplexität, und wir können leichter Tochtergesellschaften auf die SE verschmelzen.“ Dadurch wird das Eigenkapital von Mutter und Tochtergesellschaften zusammengelegt. „Durch die Einbeziehung des international vorhandenen Eigenkapitals vermeiden wir zusätzliche Kapitalzuführungen“, sagte Faßbender. Summen wollte er nicht nennen. „Bis 2013 wollen wir sechs europäische Tochtergesellschaften in Niederlassungen der SE umgewandelt haben“, sagte er.
Arag arbeitet derzeit an der Einführung der neuen EU-Aufsichtsregeln Solvency II. Der Versicherer bereitet dafür ein eigenes internes Risikomodell vor. „Das hat uns bislang schon mehr als 6 Mio. Euro gekostet“, so Faßbender. Dazu komme der zeitliche Aufwand für das Topmanagement.
Als zweites Hauptproblem nennt Faßbender die Umstellung auf eine neue Kundengeneration. „Der junge Kunde, der mit Computer und Internet groß geworden ist, hat eine andere Haltung als die Generation davor“, sagte er. „Er will in vielen Fällen nicht mehr, dass da ein Vertreter auf dem Sofa sitzt.“ Die Versicherer müssten ihre Vertriebswege – per Vertreter und Internet – intelligent kombinieren.
Gleichzeitig treffe der Generationswechsel auch die Mitarbeiter. Schon heute habe die Branche große Schwierigkeiten, junge Leute für den Beruf zu begeistern. Arag hat außerdem ein hausgemachtes Problem – der Konzern hatte vor acht Jahren ein drastisches Kostensenkungsprogramm aufgelegt und fast jede zehnte Stelle gestrichen; diese Mitarbeiter fehlen heute. Auch den Kunden gegenüber war der Versicherer nicht zimperlich. Wer zwei Schäden meldete, erhielt in den meisten Fällen die Kündigung. Das sorgte für Proteste der Verbraucherschützer und für schlechte Verkaufszahlen.
Faßbender steht zu seiner Verantwortung für die damaligen Schritte. „Ich würde heute nicht mehr zu diesen Maßnahmen greifen“, sagte er. Damals war ein Beratungsunternehmen beteiligt. „Sie können sich darauf verlassen, dass ich heute sehr viel weniger beraterhörig bin als damals“, sagte er.
Zum Generationswechsel an der Firmenspitze wollte der Arag-Chef nichts sagen. „Sollte mir etwas passieren, weiß der Aufsichtsratsvorsitzende, was ich mir vorstelle.“ Die Unabhängigkeit des Unternehmens bleibe auf jeden Fall erhalten.
Quelle: Financial Times Deutschland
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