Bundesfinanzministerium besteuert Selbstbehalt bei Schäden // Versicherer undIndustrie reagieren empört
Friederike Krieger , Köln
Schlechte Nachrichten für alle Autofahrer: Trotz großen Widerstands hat das Bundesfinanzministerium seine Pläne wiederbelebt, den Selbstbehalt in der Kfz-Haftpflichtversicherung zu besteuern. Das geht aus einem am Mittwoch vom Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf zur Änderung des Versicherungsteuergesetzes hervor. „Der tatsächlich getragene Selbstbehalt soll jetzt besteuert werden“, bestätigte eine Sprecherin des Ministeriums. Bundesrat und Bundestag müssen dem Gesetz bis November noch zustimmen.
Vereinbart der Kunde einen Selbstbehalt, vermindert sich seine Kfz-Haftpflichtprämie. Statt 200 Euro muss er zum Beispiel nur 150 Euro zahlen, wenn er bereit ist, im Schadenfall Kosten bis zu 600 Euro selbst zu tragen. Bisher musste der Kunde nur für die 150 Euro die Versicherungsteuer von 19 Prozent zahlen. Zukünftig soll er, wenn er bei einem Verkehrsunfall einem Dritten Schaden zufügt, auch auf den von ihn gezahlten Selbstbehalt, zum Beispiel auf die 600 Euro, die Steuer entrichten.
Der Selbstbehalt sei wie die Prämie als Leistung an den Versicherer anzusehen, damit er seinen gesetzlich vorgeschriebenen Deckungsschutz gewährt, so die Begründung des Finanzministeriums. Damit sei die Eigenbeteiligung wie die Prämie auch „steuerpflichtiges Versicherungsentgelt“.
Die Industrie reagierte empört auf die Pläne der Berliner Regierung. „Wir lehnen das ab“, sagte Rüdiger Auras, Geschäftsführer des Deutschen Versicherungs-Schutzverbands, der die Industrie in Versicherungsfragen vertritt. „Der Selbstbehalt ist ein rechtlich legitimes Mittel, um den Risikotransfer zu vereinfachen“, sagte er. „Diese Regelung konterkariert das.“
Selbstbehalte sind in der Versicherung großer Flotten von Firmenkunden ein gern gesehenes Mittel. Die Unternehmen sparen Prämien, Versicherer schätzen die Eigenbeteiligung als Instrument zur Schadenminderung. Die Idee: Wird ein Konzern im Schadenfall selbst zur Kasse gebeten, hält er seine Mitarbeiter an, vorsichtiger zu fahren. Falls die Vereinbarung eines Selbsthalts für Kunden kostspieliger wird, droht ihnen ein wichtiges Steuerungsinstrument verloren zu gehen. „Wir würden gern an der bisherigen Regelung festhalten“, sagte ein Sprecher des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft.
Ursprünglich wollte das Bundesfinanzministerium eine fiktive Prämie für den Selbstbehalt besteuern. Versicherte sollten die Beitragsersparnis mit der normalen Prämie addieren und auf die Gesamtsumme Steuern entrichten. Nach heftigen Protesten von Versicherern und Industriekunden legte das Finanzministerium diese Pläne ad acta – aber startet jetzt mit der direkten Besteuerung des Selbstbehalts einen neuen Anlauf.
Nach Einschätzung von DVS-Mann Auras ist der neue Ansatz nicht besser. Neben den zusätzlichen Kosten, die auf Kunden zukommen, ist der administrative Aufwand enorm. „Das kann in keinem Verhältnis zu den Steuereinnahmen stehen“, sagte er. Jedes Mal, wenn der Versicherungskunde einen Schaden im Rahmen seiner Eigenbeteiligung selbst reguliert, soll er dies dem Versicherer melden und die Steuer auf den realen Selbstbehalt an ihn zahlen. Der Versicherer reicht das Geld an die Steuerbehörden weiter. „Bei einem großen Unternehmen können im Jahr Tausende an Kleinstschäden anfallen“, sagte Auras. Andererseits sind die Schäden nicht immer schnell geklärt: Die Abrechnung eines Personenschadens kann sich über Jahre hinziehen.
Quelle: Financial Times Deutschland
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