Private Vorsorge für den Ernstfall ist zwar sinnvoll. Aber es muss nichtunbedingt eine Versicherung sein
Ilse Schlingensiepen
Wer eine zusätzliche Vorsorge für den Fall aufbauen möchte, dass er einmal pflegebedürftig wird, sollte sich jetzt darum kümmern – unabhängig davon, wie die künftigen staatlich geförderten privaten Pflegezusatzversicherungen aussehen.
Das Bundeskabinett hat die private Pflegevorsorgeförderung auf den Weg gebracht, die nach dem amtierenden Bundesgesundheitsminister einfach Pflege-Bahr genannt wird. Noch steht nicht fest, welche Policen ab 2013 die privaten Krankenversicherer in diesem Rahmen auf den Markt bringen werden. Da sie bei diesen Angeboten auf Gesundheitsprüfungen und Risikozuschläge verzichten müssen, zeichnet sich allerdings schon ab, dass die Angebote teurer werden als bisher üblich.
„Der Pflege-Bahr kommt vor allem für Versicherte infrage, die auf dem freien Markt keine Police bekommen“, sagt Bianca Boss vom Bund der Versicherten. Für Junge und Gesunde mache ein Abschluss keinen Sinn. Dafür sei die Förderung von 5 Euro als Anreiz ohnehin zu gering.
„Wer heute Bedarf für eine Pflegezusatzpolice feststellt, der sollte sie abschließen“, sagt auch Peter Grieble, Versicherungsexperte bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Ob Bedarf besteht, hänge von verschiedenen Faktoren ab. „Die Pflegezusatzversicherung ist eine Art zweites Sicherheitsnetz“, sagt er. Als erste Stufe sind aus seiner Sicht Policen für die Altersversorgung, die Berufsunfähigkeit und gegebenenfalls die Kinderinvalidität sinnvoll. „Wenn man das hat, reduziert sich der Bedarf einer zusätzlichen Absicherung für den Pflegefall.“ Anders sehe es aus, wenn Verbraucher Vermögen für die Erben erhalten wollen oder wenn sie auf eine komfortable und deshalb kostenintensive Unterbringung im Pflegefall setzen. Dann können die privaten Zusatzpolicen sinnvoll sein, sagt Grieble.
Es gibt zwei wichtige Formen der Zusatzversicherungen: Pflegetagegeld- und Pflegekostenpolicen. Bei der Tagegeldversicherung erhält der Versicherte einen vertraglich vereinbarten festen monatlichen Betrag – abhängig von der Pflegestufe. Die Versicherten können das Geld frei verwenden. Bei Pflegekostentarifen erstatten die Unternehmen nur die nachgewiesenen Kosten, die nach den Zahlungen der gesetzlichen Pflegekassen übrig bleiben.
„Für die meisten ist das Tagegeld sinnvoller, weil besser absehbar ist, was der Versicherer zahlt“, sagt Grieble. Bei der Pflegekostenversicherung müssen Leistungen genau belegt werden. „Dieser Aufwand ist im Pflegefall oft sehr hoch“, sagt Boss vom Bund der Versicherten. Diese Versicherung bilde die Kostensteigerung im Gesundheitswesen aber besser ab.
Grundsätzlich wichtig sei, dass alle drei Pflegestufen abgesichert werden und nicht nur die Pflegestufe drei. Zwar ist die höchste Pflegestufe auch die teuerste. „Aber die Menschen sind häufig länger in den Pflegestufen eins und zwei, und deshalb können auch dort immense Kosten entstehen“, sagt Boss.
Je früher Interessierte die Pflegepolicen abschließen, desto günstiger sind sie. Wer mit 60 Jahren anfängt, kann schnell 150 Euro bis 200 Euro pro Monat zahlen, sagt Grieble. Gerade ältere Versicherte sollten wegen der hohen Beiträge einen Anbieter wählen, der im Pflegefall die Beitragsfreiheit vorsieht, empfiehlt er. Auch die Zahlung bei Demenzerkrankungen sei ein wichtiges Kriterium.
Jeder sollte sich möglichst früh Gedanken über das Thema Pflegebedürftigkeit machen, rät Andreas Westerfellhaus, Präsident des Deutschen Pflegerats. „Ich muss mich darauf einstellen, dass ich für den Pflegefall in irgendeiner Form selbst vorsorgen muss“, sagt er. Der Abschluss privater Versicherungspolicen sei dabei aber nur eine Möglichkeit. „Ich kann auch einen Kapitalstock bilden, der vor dem Zugriff anderer geschützt ist, oder in eine Immobilie investieren“, sagt er.
Auch Vertreter der gesetzlichen Krankenkassen halten eine zusätzliche private Absicherung für notwendig. „Die gesetzliche Pflegeversicherung ist immer nur eine Teilkasko-Versicherung“, sagt der Vorstandsvorsitzende der AOK Rheinland/Hamburg Wilfried Jacobs. „Das ist vielen Menschen aber immer noch nicht bewusst.“ Seiner Meinung nach müssen die privaten Versicherer allerdings noch kreativer werden, was die von ihnen angebotenen Leistungen angeht.
Quelle: Financial Times Deutschland
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