Kopf des Tages Wilfried VerstraeteDer Kreditversicherer Euler Hermes bestimmtmaßgeblich über das Schicksal angeschlagener Firmen. Konzernchef Verstraetelässt sich dabei von keinem reinreden
Herbert Fromme , Köln
Ob Arcandor, Schlecker oder Neckermann – kaum eine Verhandlung über einen Insolvenzfall findet ohne die Abgesandten von Wilfried Verstraete statt. Für den Chef von Euler Hermes geht es meistens um große Summen. Der Kreditversicherer deckt das Risiko von Lieferanten bei der Pleite von Kunden ab. Bei der Drogeriekette Schlecker steht Euler Hermes vor allem für Lieferungen des Großhändlers Markant gerade und zählt damit zu den größten Gläubigern. Insgesamt sind bis Ende vergangener Woche beim Schlecker-Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz 1,1 Mrd. Euro an Forderungen angemeldet worden. Nach FTD-Informationen entfallen davon 300 Mio. Euro allein auf Euler Hermes. Ein erheblicher Teil dürfte allerdings durch Grundstücke und Rechte auf den Warenbestand besichert sein.
Von der Zentrale in einer der Nebenstraßen der Champs-Élysées mitten in Paris dirigiert Verstraete den weltweit größten Kreditversicherer. Euler Hermes gehört zu 68 Prozent der Allianz, ist aber an der Pariser Börse notiert. So hat Verstraete die Finanzstärke des Versicherungsriesen im Rücken, aber mehr Unabhängigkeit als die Chefs von 100-prozentigen Töchtern der eher hierarchisch denkenden Allianz. Und solange er ordentliche Gewinne abliefert, lässt Konzernchef Michael Diekmann ihn gewähren.
Der 54-jährige Belgier hat einen der spannendsten Posten in der Assekuranz. Er ist Versicherer, aber seine Entscheidungen sind oft hochpolitisch und werden gerne von Politikern und Gewerkschaften kritisiert. Wenn es um die Rettung angeschlagener Unternehmen geht, hängt viel von Verstraete ab. In fließendem Deutsch erklärt er dann seinen Gesprächspartnern aus dem Heimatland seines Mutterkonzerns ganz ruhig, warum Euler Hermes bestimmte Rettungsaktionen nicht mitmachen kann – einzig ökonomische Fakten zählen, auf politische Konzessionen kann sich Verstraete nicht einlassen. Die Tatsache, dass die deutsche Tochter Hermes im Auftrag und auf Risiko des Bundes die Ausfuhrgarantien organisiert, macht das nicht gerade einfach.
Verstraete ist ein Seiteneinsteiger in der Versicherungswirtschaft. Ausgebildet wurde er an der französischen Elitehochschule Insead in Fontainebleau und der Vlaamse Economische Hogeschool in Brüssel. 1988 ging er in die Mobilfunkbranche und machte dort rasch Karriere als Finanzmanager bei Konzerngesellschaften der France Telecom. „Das war ein Riesenspaß“, sagt er heute. „Ich habe den steilen Aufstieg mitgemacht, und auch die großen Krisen der Branche, mit Milliardenschulden und Rettungsaktionen.“
2004 kam der Wechsel in die Versicherungswirtschaft. Der Amsterdamer Kreditversicherer Atradius, der schärfste Euler-Konkurrent, heuerte den brillanten Finanzmann als Chef an. Verstraete war erfolgreich, musste aber 2006 gehen – der neue spanische Mehrheitsaktionär bei Atradius wollte den Chefposten mit einem seiner Leute besetzen. Da griff die Allianz zu und heuerte den polyglotten Manager an. Verstraete arbeitete zwei Jahre als Finanzchef der Industrieversicherungstochter Allianz Global Corporate & Specialty, bevor Diekmann ihn 2009 an die Spitze von Euler Hermes setzte. Inzwischen lebt die Familie in Paris, mit seiner französischen Frau hat er drei Kinder.
Bei Euler Hermes hat Verstraete viel bewegt, die Struktur deutlich verschlankt, das Risikomanagement in Paris zentralisiert. Jetzt baut er das globale Netz weiter aus – in Spanien und Südamerika zusammen mit der spanischen Mapfre, einem der schärfsten Allianz-Konkurrenten in der Industrieversicherung. Das tangiert Verstraete nicht weiter. „Wir wollen seit Jahren in Lateinamerika wachsen, aber bislang ist das zu wenig gelungen“, erläutert er. Und in dem sehr wichtigen Markt sei Mapfre halt der beste Partner.
Quelle: Financial Times Deutschland
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