Wenn die Flut kommt

Vor zehn Jahren wütete das Elbhochwasser durch Deutschland. SogarVerbraucherschützer werben für Versicherungsschutz

 

„Ilse“ war schuld: Tagelang wanderte das vom Berliner Meteorologischen Institut so getaufte Tiefdruckgebiet über Europa und tankte enorme Wasserdampfmengen. Über Irland entstanden, zog Ilse in den Mittelmeerraum und an den Alpen vorbei nach Ostdeutschland – und warf gewaltige Regenmassen ab. In diesen Tagen jährt sich zum zehnten Mal die Jahrhundertflut in Sachsen und Sachsen-Anhalt. „Das Elbhochwasser ist gemessen an den volkswirtschaftlichen Schäden das bis heute mit Abstand teuerste Naturereignis in Deutschland“, sagt Peter Höppe, Klimaexperte des Rückversicherers Munich Re. Rückversicherer versichern Gesellschaften wie die Allianz, Axa oder HUK-Coburg, die Privatkunden und Firmen Policen verkaufen. Nach Katastrophen haben sie deshalb den genausten Überblick über den entstandenen Schaden.

Das Elbhochwasser verursachte Kosten in Höhe von 11,6 Mrd. Euro – aber der versicherte Schaden lag nur bei 1,8 Mrd. Euro. Dass er nicht noch niedriger war, liegt an einer Besonderheit der ostdeutschen Haus- und Wohngebäudeversicherungen. Die meisten alten Verträge aus DDR-Zeiten haben einen sogenannten Elementarschutz. Im Westen sieht das anders aus. Eine einfache Gebäude- oder Hausratpolice deckt Schäden durch Überschwemmung, Starkregen, Erdbeben oder Schneedruck nicht. Das geschieht nur, wenn Besitzer für das Gebäude und Mieter für ihr Inventar zusätzlich den Elementarschutz abschließen. Den sollte jeder haben, meinen Versicherer und Verbraucherschützer in ungewohnter Eintracht. „Der Elementarschutz ist grundsätzlich für jeden sinnvoll“, sagt Hajo Köster, Justiziar des Bundes der Versicherten. Es kann jeden treffen – heute mehr als früher. 1980 verzeichnete die Munich Re weltweit 100 Überflutungen, jetzt sind es 350 im Jahr. „Es gibt keine Region, die ohne Gefährdung ist“, sagt Höppe. Auch fernab von Flüssen steigt bei extremen Niederschlägen die Gefahr, dass Wasser etwa durch den Keller ins Haus dringt. „Im Vergleich zu Starkregen mit lokalen Sturzfluten ist ein Flusshochwasser relativ selten.“

Extreme Niederschläge sind keine regionale Besonderheit. „Früher trat Starkregen eher in Süddeutschland auf, jetzt ist das gesamte Bundesgebiet gefährdet“, sagt Christian Diedrich, für die Sachversicherung verantwortlicher Vorstand bei der Munich-Re-Tochter Ergo. Der Versicherer, aber auch viele Wettbewerber wie die Provinzial-Gesellschaften oder die Zurich bieten ihren Kunden als Service Unwetterwarnungen per SMS, Twitter oder E-Mail. „Aber um Schutzvorkehrungen zu treffen, muss man zu Hause sein. Und das sind Privatleute nicht immer“, sagt er.

Laut Diedrich kostet die Elementardeckung für ein durchschnittliches Haus in einer durchschnittlichen Gefahrenlage rund 200 Euro im Jahr. „Es gibt immer noch viele Menschen, die glauben: Ich wohne nicht in einem Risikogebiet, mich trifft es nicht“, sagt Diedrich. In einigen Bundesländern haben die Regierungen Aufklärungskampagnen gestartet, um den Bürgern diesen Irrtum auszutreiben.

Aber: Nicht jeder, der es wünscht, bekommt auch den Zusatzschutz. Wer an einem Fluss wohnt, hat schnell große Probleme eine Police zu bekommen. Die Versicherer spielen dieses Problem herunter. „Nur 1,5 Prozent der Gebäude lassen sich nicht mit einem Standardprodukt versichern“, sagt Diedrich. Auch für den Rest gebe es Lösungen, zum Beispiel die Vereinbarung einer höheren Eigenbeteiligung im Schadenfall.

Verbraucherschützer trauen den Angaben der Versicherer zu den unversicherbaren Gebäuden nicht. „Wir bezweifeln diese Zahlen“, sagt Köster. Er glaubt, dass Versicherer bei der Risikoprüfung übervorsichtig sind und deshalb auch viele Hausbesitzer keinen Schutz bekommen, die in wenig gefährdeten Gebieten leben. „Die Versicherer setzen die Hürden sehr hoch“, sagt er. Er fordert deshalb, dass die Versicherer jedem Kunden, der es wünscht, einen Elementarschutz verkaufen müssen.

Anja Krüger

Quelle: Financial Times Deutschland

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