Als Kooperativen aufgebaute Schülerfirmen sind ein Erfolgsmodell. Diedemokratische Struktur motiviert und fördert selbstständiges Lernen
Jonas Tauber
Jonas Tauber
Älteren Menschen Computer und Internet näher bringen – das ist das Geschäftsmodell des Schulprojekts „Schüler trainieren Senioren (STS)“ an der Integrierten Gesamtschule Kronsberg in Hannover. Für 7,50 Euro je Stunde erfahren die Kunden, wie sie in Windows einen Ordner erstellen oder die Schriftart bei Schreibprogrammen ändern. Weil der Unterricht nicht linear aufgebaut ist, sondern alle Fragen erlaubt sind, bleibt er für die 15- und 16-jährigen Schüler fordernd. „Letztens hatte ich einen Kunden, der Hilfe bei der Beantragung eines Visums für die USA brauchte“, sagt Trainer Max Rose: „Da musste ich mich erst einmal selber schlau machen.“
STS ist eine Schülerfirma mit genossenschaftlicher Organisation. In solchen Schülerfirmen sollen Schüler Erfahrungen damit sammeln, wie Unternehmen funktionieren. Dafür nehmen sie echtes Kapital auf, bieten Produkte oder Dienstleistungen an, wählen Vorstand und Aufsichtsrat.
Früher waren Schülerfirmen vor allem als GmbH oder AG organisiert. Inzwischen gibt es in Deutschland rund 100 Schülergenossenschaften. Sie sind in speziellen Registern der Genossenschaftsverbände eingetragen. Schülergenossenschaften agieren am realen Markt, haben aber keine eigene Rechtspersönlichkeit, sondern sind schulische Veranstaltungen. Sie dürfen jährlich höchstens 5000 Euro Gewinn oder 17 500 Euro Umsatz erwirtschaften.
Vorreiter und Taktgeber ist Niedersachsen. Hier kam es 2006 im Zuge des laufenden Modellprojekts „nachhaltige Schülergenossenschaften“ zu den ersten Gründungen. Nachhaltig sind Schülerfirmen, wenn sie nicht nur dauerhaft erfolgreich wirtschaften, sondern sozial und ökologisch verträglich arbeiten. Neben dem niedersächsischen Kultusministerium sind der Genossenschaftsverband Weser-Ems und der Genossenschaftsverband mit Sitz in Frankfurt beteiligt.
„Das Prinzip Genossenschaft funktioniert überraschenderweise in allen Schulformen“, berichtet Nicole Göler von Ravensburg, Sozialökonomin an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Sie begleitet das Projekt wissenschaftlich und hat herausgefunden, dass die Selbstorganisation von Schülern besonders hoch ist, wenn Firmen genossenschaftlich organisiert sind. Ein Grund dafür: Die Mitglieder sind gleichzeitig Besitzer und Mitarbeiter des Unternehmens. Das motiviere die Schüler und fördere selbstständiges Lernen. Dadurch könne der Lehrer eine Moderatorenrolle einnehmen.
Der pädagogische Erfolg des Modells stehe außer Frage, sagt Norbert Klüh, der zuständige Fachkoordinator bei der Landesschulbehörde Niedersachsen. „Dass wir mehr Schülergenossenschaften an unseren Schulen wollen, ist klar“, sagt er. Wenn überhaupt, sei die Ausweitung eine Finanzierungsfrage. Klüh berät Schulen, Lehrer und Schüler, die an die Gründung einer Schülergenossenschaft denken – oder ihre Schülerfirma in eine Schülergenossenschaft umwandeln wollen. Aus seiner Sicht liegt es an der demokratischen Ausrichtung von Genossenschaften, dass sie sich besonders gut eignen. Auf der Generalversammlung entscheiden alle Mitglieder gemeinsam, was mit dem erwirtschafteten Gewinn passiert. Jedes Mitglied hat eine Stimme, auch wenn es mehrere Anteile hält.
Im Fall von STS fließt ein Teil des Jahresgewinns in die eigene Schule – als Ausgleich dafür, dass Computer und Räume kostenlos genutzt werden. „Ziel unserer Schülergenossenschaft ist es, dass die Arbeit der Schüler möglichst nah an der Realität eines echten Unternehmens ist“, sagt Martina Bartels-Eberlein, verantwortliche Lehrerin für den derzeitigen zehnten Jahrgang bei STS. Dazu gehört das Bewusstsein, dass Betriebsmittel nicht umsonst zu haben sind. Daneben unterstützen die Schüler mit dem Gewinn eine Schule in Afrika und gönnen sich einmal jährlich einen Restaurantbesuch.
Andere Schülergenossenschaften haben gleich mehrere Tätigkeitsfelder. So wie Miksmaks an der Sonderschule Fröbelschule Oldenburg. Die 54 Mitglieder der Schülerfirma reparieren Fahrräder, nähen Kissen in der Textilwerkstatt, produzieren metallene Grills und stellen Gartenmöbel aus Holz her. Besonders viele Aufträge hat die Cateringabteilung von Miksmaks, sagt die Lehrerin Resie Gaumann. Das liege auch an der Partnerschaftsgenossenschaft von Miksmaks, der Raiffeisenbank Oldenburg: Bei Anlässen wie Vorstandssitzungen greifen die großen Genossen gerne auf das kulinarische Angebot der Schüler zurück.
Quelle: Financial Times Deutschland
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