Traineeprogramme sind bei Akademikern beliebt. Doch nicht alle halten, wassie versprechen
Jonas Tauber
Jonas Tauber
Heute in der Abteilung für Kapitalanlage in Düsseldorf, in einigen Monaten bei der indischen Tochtergesellschaft: Über fehlende Abwechslung kann sich Florian Drathen nicht beschweren. Der 26-Jährige Diplom-Kaufmann nimmt an einem Programm des Versicherers Ergo für Nachwuchskräfte mit Universitätsabschluss teil, bei dem er innerhalb von zwei Jahren sechs bis acht verschiedene Bereiche des Unternehmens kennenlernt. Auch ein dreimonatiger Aufenthalt bei einer der Auslandsgesellschaften gehört dazu.
Solche Traineeprogramme sind eine beliebte Form des Berufseinstiegs bei Universitätsabsolventen. Sie eignen sich besonders für Akademiker, die wissen, in welche Branche sie wollen, aber noch keinen bestimmten Schwerpunkt im Blick haben. Teilnehmer arbeiten meist ein bis zwei Jahre in verschiedenen Unternehmensbereichen und nehmen an Fort- und Weiterbildungen teil. Mit den Programmen sichern sich Versicherer und Banken den Nachwuchs an Führungs- und Fachkräften.
„Mich hat vor allem gereizt, verschiedene Abteilungen kennenzulernen und mir ein Netzwerk aufzubauen“, sagt Drathen. Das Programm der Ergo hat ihn wegen des mehrmonatigen Auslandsaufenthalts überzeugt. Ausländische Märkte sind wichtig für den Versicherer, der nach eigenen Angaben rund ein Viertel seiner Beitragseinnahmen außerhalb Deutschlands erlöst. Schwerpunkte sind Indien, China, Süd- und Osteuropa.
„Traineeprogramme sind eine gute Methode für Unternehmen, sich einen Pool an Talenten aufzubauen“, sagt der emeritierte Professor für Betriebswirtschaftslehre Norbert Thom. Ein neuer Trend sei, dass Unternehmen zunehmend auch Bachelor-Absolventen akzeptieren. Beispiel Deutsche Bank: Nach eigenen Angaben liegt der Anteil von Bachelor-Absolventen an den Trainees des international ausgerichteten Konzerns bei rund 30 Prozent und steigt weiter an.
Zielgruppe der Unternehmen sind nicht nur Wirtschaftswissenschaftler. „Bei der Deutschen Bank suchen wir Talente aus unterschiedlichen Fachrichtungen“, sagt eine Sprecherin. Dazu gehören Mathematik, Informatik, Physik, Jura und Geistes- und Sozialwissenschaften mit Finanzbezug.
Bewerber müssen auf jeden Fall einen guten Universitätsabschluss vorweisen. „Absolventen brauchen nicht unbedingt einen Einserschnitt, aber über 2,5 sollten sie schon liegen“, sagt Thomas Barann, Personalleiter des Kölner Versicherungsunternehmens Gothaer. Praktische Arbeitserfahrungen nennt er als weitere Voraussetzung, damit Bewerber einen der jährlich neun freien Plätze ergattern können. „Das kann auch das ehrenamtliche Engagement bei der Feuerwehr oder in der Hochschule sein“, sagt er. Wichtig seien außerdem das Talent zur Selbstorganisation, analytische und kreative Fähigkeiten, soziale Kompetenz und Einfühlungsvermögen, berichtet er.
Wie andere Versicherer und Banken setzt die Gothaer auf ein mehrstufiges Bewerbungsverfahren: Auf das Bewerbungsschreiben folgt das Interview, und wer hier überzeugt, muss sich im Assessment-Center beweisen. „Im eintägigen Assessment sollen die Bewerber in Rollenspielen zeigen, dass sie Konflikte lösen und Entscheidungen treffen können“, sagt Barann. Eine mögliche Aufgabe könne auch die Planung eines Arbeitstags sein.
Bei den Absolventen sind die Programme beliebt, bestätigt eine Studie der Unternehmensberatung Kienbaum. 94 Prozent der befragten Akademiker können sich vorstellen, über ein Traineeprogramm den Berufseinstieg zu machen. Neben der Vielfältigkeit schätzten sie besonders die intensive Betreuung und die Möglichkeit, sich gezielt weiter zu entwickeln.
Dieser gute Ruf hat dazu geführt, dass in den vergangenen Jahren viele neue Traineeprogramme ins Leben gerufen wurden. Aber nicht alle halten, was sie versprechen. „Teilweise bieten Unternehmen unter diesem Namen bessere Praktika an“, sagt Ralf Junge von der Jobbörse Absolventa. Das sei möglich, weil der Begriff nicht geschützt ist. Deshalb hat Absolventa im Dezember 2011 gemeinsam mit zehn Unternehmen und der LMU München definiert, was karrierefördernde und faire Traineeprogramme ausmacht. Auf der Absolventa-Website http://trainee-gefluester.dehttp://trainee-gefluester.de finden Interessierte 120 deutsche Unternehmen, die sich daran halten wollen.
Quelle: Financial Times Deutschland
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