Ein neues Gesetz verschlechtert die Lage von Kunden, deren Police abläuft.Wer vorher kündigt, kann mehr Geld bekommen
Friederike Krieger Herbert Fromme
Herbert Fromme
und Friederike Krieger, Köln
Für Kunden von Lebensversicherungen, deren Verträge in wenigen Monaten ablaufen oder die ihren Vertrag in absehbarer Zeit ohnehin kündigen wollten, kann sich rasches Handeln auszahlen. Wer bis zum 21. Dezember 2012 seinen Vertrag kündigt, erhält unter Umständen eine deutlich höhere Summe als bei Vertragsende in den Monaten darauf.
Hintergrund ist eine Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG), die der Bundestag vergangene Woche beschlossen hat. Danach werden die Kunden künftig nicht mehr wie bislang automatisch mit der Hälfte an stillen Reserven auf festverzinsliche Wertpapiere beteiligt, sofern sie ihren Vertrag kündigen oder die Police abläuft. Stattdessen wird in einem komplizierten Mechanismus ein Faktor zur Stabilisierung der Lebensversicherer abgezogen und erst danach die Beteiligung der Kunden ermittelt. Sie dürfte deutlich unter den bisherigen Werten liegen.
Die Versicherungswirtschaft hatte die Änderung verlangt. Sie soll zur mittelfristigen Stärkung der Unternehmen dienen, von denen eine ganze Reihe durch die dauerhaft niedrigen Kapitalmarktzinsen unter Druck stehen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass bei länger anhaltenden Niedrigzinsen ab 2018 20 Prozent der Anbieter die Anforderungen der Aufsicht an Rückstellungen und Eigenmittel nicht mehr erfüllen könnten.
Die Änderung soll parallel zur Einführung der neuen Unisextarife am 21. Dezember in Kraft treten. Wer einen Vertrag hat, der 2013 abläuft, sollte sich vom Versicherer ausrechnen lassen, wie hoch der Unterschied zwischen Kündigung jetzt und Warten bis Ablauf ist. Dabei muss er zusätzlich unbedingt mögliche steuerliche Nachteile berücksichtigen.
„Kunden, die jetzt noch kündigen, sind eventuell besser bedient“, sagt Axel Kleinlein, Vorsitzender des Bunds der Versicherten. Wie sehr die Ablaufleistung oder die Privatrente sinkt, sei schwer zu sagen. „Das hängt stark von der Zinsentwicklung ab“, sagt Kleinlein.
Bei der Allianz, zu der Deutschlands größter Lebensversicherer gehört, ist in internen Gesprächen mit Vertriebsmitarbeitern von fünf bis zehn Prozent Unterschied die Rede – wer bis Ende Dezember kündigt, erhält so viel mehr als Ablaufleistung.
„Zehn Prozent sind bei der Allianz Lebensversicherung eine durchaus reelle Größe“, sagte ein Vertriebsmitarbeiter, der anonym bleiben will. „Davon wird jedenfalls in den Gesprächen der Unternehmensleitung mit uns ausgegangen.“ Bei der Allianz habe man die Devise ausgegeben, Kunden gegenüber möglichst wenig über diese Änderung mitzuteilen.
„Wenn mein Kunde für 2013 mit einer Kapitalauszahlung nach aktueller Gesetzeslage von 100 000 Euro zu rechnen hätte, könnte das unter neuen Bedingungen dann auf 90 000 Euro schrumpfen“, sagte der Allianz-Mann. Ihn empört, dass die Versicherer nicht gesetzlich gezwungen sind, diesen Umstand ihren Kunden automatisch mitzuteilen.
Ein Allianz-Sprecher sagte, es sei zu früh, über genaue Zahlen zu reden. „Es steht allerdings fest, dass es gegenüber der bisherigen Gesetzesregelung zu Verschiebungen kommen wird.“ Mit Inkrafttreten des Gesetzes würden die Berechnungen vorgenommen und die Kunden informiert.
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) schließt nicht aus, dass einzelne Kunden bei Kündigung besser dastehen. Das hänge aber sehr vom einzelnen Unternehmen ab, der Geschichte seiner Kapitalanlagen und weiteren Faktoren, sagte eine Sprecherin. „Außerdem verzichtet der Versicherte im Falle einer Kündigung gerade im letzten Vertragsjahr auf nicht unerhebliche Schlussgewinnanteile.“
Auch die Verbraucherschützer raten, nichts ohne genaue Prüfung zu unternehmen. „Der Lebensversicherungsvertrag muss kurz vor der Auszahlung stehen, sodass der Rückkaufswert sehr hoch ist“, sagt Kleinlein. Auch wenn ein Kunde seinen Vertrag ohnehin loswerden wolle, könne sich die schnelle Kündigung vor dem 21. Dezember lohnen. „Die Beteiligung an den Bewertungsreserven kann schon ein Achtel des Rückkaufswerts ausmachen“, sagte er.
Wenn Versicherte von den Gesellschaften Auskunft über ihre Optionen verlangen, erhalten sie die in der Regel auch. „Ich habe schon einen Brief gesehen, in dem ein Versicherer bei der Frage nach dem Rückkaufswert darauf hingewiesen hat, dass der Kunde wegen der Neuregelung bei den Bewertungsreserven weniger Geld zu erwarten hat, wenn er länger wartet“, sagt Kleinlein.
Auch Lars Gatschke, Versicherungsexperte des Verbraucherzentrale Bundesverbands, rät Kunden, bei ihrem Versicherer nachzufragen, wie hoch Rückkaufswert und Beteiligung an den Bewertungsreserven aktuell sind. Das sollten sie der zu erwartenden Ablaufleistung gegenüberstellen. „Übersteigen Rückkaufswert inklusive Bewertungsreserven die Ablaufleistung, kann sich eine Kündigung lohnen“, sagt Gatschke. Kunden sollten sich so zeitnah um eine Auskunft bemühen – und nicht erst ein halbes Jahr warten.
Quelle: Financial Times Deutschland
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