Wie Onlinevergleichsportale die Autoversicherer in Zugzwangbringen
Herbert Fromme
Herbert Fromme
Noch knapp zwei Wochen herrscht Turbostress bei den Onlinevergleichsportalen für Versicherungen. Bis Ende November können die meisten Autofahrer ihre Versicherung mit Wirkung zum 1. Januar 2013 wechseln. Onlinevergleichsportale werden immer beliebter – hier können die Interessenten mehrere Versicherer vergleichen und müssen ihre Daten nur einmal eingeben.
Bei großen Anbietern haben Kunden die Möglichkeit, bei Rückfragen oder Problemen telefonisch nachzufassen. Entsprechend ausgelastet sind die Callcenter der Portalanbieter.
In der Kfz-Sparte haben sich die Vergleichsportale inzwischen etabliert. Alle zusammen kamen 2011 auf geschätzte 750 000 vermittelte Policen in der Autoversicherung, 2012 dürften sie die Millionengrenze knacken. In anderen Sparten spielen sie dagegen bislang eine kleinere Rolle, melden aber auch dort Zuwachszahlen. Ein Grund für das schwächere Wachstum außerhalb der Autoversicherung: In den anderen Sparten gibt es keinen festen Kündigungstag.
Check24, Ino24.de, Geld.de, Transparo und Verivox gehören zu den bekannteren Anbietern. „Die laufende Saison ist besonders lebendig“, sagt Björn Weikert, Vorstand des Marktführers Check24. Der Hintergrund: Viele Autoversicherer haben die Preise für 2013 spürbar angehoben. Zudem hat die Branche die Typklassen verändert. Das führt zu deutlichen Preiserhöhungen für viele Kunden – die nach Alternativen auch online Ausschau halten.
Mit Vergleichen im Internet können Kunden bei gleichen Leistungen erhebliche Einsparungen realisieren, ergab eine von Professor Fred Wagner und dem Institut für Versicherungswissenschaften Leipzig erstellte Untersuchung. „Im Durchschnitt ist das teuerste Angebot 289 Prozent teurer als das günstigste Angebot“, sagt Wagner. Der ungünstigste Anbieter verlangt also fast das Vierfache des günstigsten. „Die maximale Differenz lag sogar bei 614 Prozent.“
Dabei ist der Zeitaufwand überschaubar, fand der Kölner Professor Horst Müller-Peters heraus. Er beauftragte 500 Testkunden damit, die Portale zu vergleichen. „Ich muss zehn bis 20 Minuten investieren, wenn ich die Unterlagen schon zusammengesucht habe“, sagt Müller-Peters. Der durchschnittliche Zeitaufwand betrage 12,8 Minuten.
„Wir haben festgestellt, dass die meisten Kunden direkt den Vergleichsrechner benutzen“, sagt Jürgen Scheurer von Verivox, etablierter Anbieter bei Energievergleichen und Newcomer im Versicherungssektor. Viele Kunden schließen nach Verivox-Erfahrung nicht am ersten Tag ab, sondern informieren sich und kommen wieder.
Die Portale leben von Provisionszahlungen der Versicherer. Über die Höhe schweigen sich die meisten aus. Nur das zur Provinzial Rheinland gehörende Portal Autoversicherung.de ist transparent: Es verlangt einheitlich 45 Euro. Bei den anderen Portalen sind es 80 Euro bis 120 Euro, heißt es im Markt. Dennoch behauptet Marktführer Check24, mit der Vermittlung von Autopolicen kein Geld zu verdienen. Der Grund: Das Unternehmen muss heftig für Fernsehwerbung und für Googleanzeigen zahlen, die entsprechende Suchanzeigen auf das Portal lenken sollen.
Wer nach „Autoversicherung“ bei Google sucht, erhält zunächst drei bezahlte Anzeigen. Wer dort nicht vorkommt, hat weniger Chancen im Markt. Google versteigert die Positionen und erzielt in der Wechselsaison bis zu 15 Euro pro Klick – der nicht unbedingt zum Abschluss führen muss. Google verdient also prächtig an den Anzeigen, will aber mehr. Das Unternehmen hat Gespräche mit deutschen Versicherern geführt, ob sie ihre Tarife in einem googleeigenen Vergleichsportal listen lassen würden. Vorbild ist Großbritannien: Dort übernahm der Konzern im März 2011 das Portal Beatthatquote.com für 38 Mio. Pfund (48 Mio. Euro).
Die Finanzbranche gehört neben Einzelhandel und Reisebranche zu den intensivsten Werbern auf Google. Versicherer und Banken sind weltweit für mehr als zehn Prozent des Jahresumsatzes verantwortlich, der sich im Jahr 2011 auf 38 Mrd. Dollar summierte. Auch in Deutschland gehört die Versicherungs- und Finanzwelt zu den größten Werbern im Internet.
Dass die 15 Euro pro Klick auf Googleanzeigen für die Autoversicherer nicht die Obergrenze sein müssen, weiß der Suchmaschinenbetreiber aus den USA. Dort zahlen Anbieter pro Klick auf eine Anzeige nach der Suche „Krankenversicherung für Selbstständige“ 43 Dollar, bei „billiger Autoversicherung“ 34 Dollar.
Die deutschen Versicherer nehmen den Vormarsch der Onlinevergleichsportale ernst. Dabei geht es ihnen um die als zu hoch empfundenen Provisionen, ohne die aber weniger Neugeschäft kommt. Gleichzeitig müssen sie fürchten, nicht mehr mit ihrer Marke wahrgenommen zu werden. Wer sich regelmäßig bei Check24 den billigsten Versicherer ausrechnen lässt, könnte leicht glauben, er sei dort versichert, so die Befürchtung der Unternehmen.
HUK-Coburg, gemessen an der Zahl der versicherten Fahrzeuge der größte Anbieter im deutschen Markt, hat daraus zusammen mit zwei weiteren Anbietern die Konsequenzen gezogen. Im Juni 2011 übernahmen HUK-Coburg, Talanx und WGV die Mehrheit an dem Augsburger Portal Aspect Online. Seit September 2011 ist es mit dem Markennamen Transparo aktiv. Das klare Ziel: Transparo will die Macht des Marktführers Check24 brechen.
Dabei bieten die großen Portale keineswegs umfassenden Marktüberblick. Die Allianz hat keine Vereinbarung mit Transparo, beteiligt sich aber am Vergleich von Check24. Die HUK-24 dagegen ist bei Check24 nicht dabei. Wer also sichergehen will, vergleicht am besten auch die Vergleichsportale.
Quelle: Financial Times Deutschland
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