Die Änderung der Beteiligung an Bewertungsreserven kommt schnell. Nicht jederkann rechtzeitig kündigen
Herbert Fromme
Herbert Fromme
Die Kürzung der Beteiligung an den Bewertungsreserven der Lebensversicherer durch den Bundestag sorgt für große Unruhe unter Kunden. Einige dubiose Policenaufkäufer nutzen das aus und drängen Versicherte zu Kündigungen, die finanziell überhaupt keinen Sinn machen, damit sie dann das Geld in Sparplänen oder Fonds bei ebendiesen Firmen anlegen. So ist zu hören, der 21. Dezember 2012 sei der letzte mögliche Kündigungstermin. Das ist blanker Unsinn. An diesem Tag tritt die Gesetzesänderung in Kraft. Tatsächlich sind Kündigungen, mit denen Kunden die Bewertungsreserven nach dem bisherigen System erhalten, nur noch bis zum 30. November 2012 möglich. Allerdings gilt das nicht für alle Verträge.
Ohnehin lohnt sich eine solche Kündigung nur für Kunden, deren Verträge in den kommenden Monaten fällig werden oder die sowieso vorhatten zu kündigen. Selbst dann sollte ein solcher Schritt sorgfältig geprüft werden – er könnte schwerwiegende Nachteile bringen. Dazu gehören der Wegfall des bei vielen Policen eingeräumten Rechts, die auszuzahlende Summe in eine Rente umzuwandeln, sowie mögliche steuerliche Nachteile.
Der Bundestag hatte in der Nacht vom 8. November auf den 9. November ohne Aussprache das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert. Die Änderung tritt am 21. Dezember in Kraft, zeitgleich mit den neuen Unisex-Regeln, die mit den Bewertungsreserven nichts zu tun haben. Die Assekuranz hatte Druck gemacht in Berlin und auf die Folgen der Niedrigzinsen hingewiesen – daher die Eile.
Bislang müssen Versicherer Kunden bei Kündigung oder Ablauf der Verträge an den Bewertungsreserven in ihren Kapitalanlagen beteiligen. Bewertungsreserven, auch stille Reserven genannt, entstehen, wenn der Marktwert eines Wertpapiers über dem Buchwert liegt.
Heute haben viele Versicherer hohe Bewertungsreserven aus Staatsanleihen und anderen festverzinslichen Papieren. Das ist eine Folge der niedrigen Zinsen. Daran werden ausscheidende Kunden bislang mit der Hälfte beteiligt. Die Assekuranz argumentiert, dass die Regel bei festverzinslichen Papieren unsinnig sei, weil sie die Gesellschaften zwinge, Papiere mit höheren Zinsen vorzeitig zu verkaufen – statt sie bis zur Fälligkeit zu halten und diese Zinsen für alle Kunden einzustreichen.
Die Politik hat verstanden: Laut Bundestagsbeschluss partizipieren die Kunden ab dem 21. Dezember 2012 bei Weggang oder Ablauf nur mit einem kleinen Teil an den Bewertungsreserven. Der Großteil dient der Stabilisierung der Ertragskraft der Lebensversicherer.
Nicht jeder Kündigungswillige kann die alte Gesetzeslage noch nutzen. Allerdings: „Versicherte, die ihre Beiträge monatlich zahlen, können noch bis zum 30. November kündigen,“ sagte Udo Rössler von der Allianz. Dann werde die Auszahlung noch mit den vor dem 21. Dezember geltenden Regeln für die Beteiligung an den Bewertungsreserven berechnet. Rössler: „Diese Möglichkeiten haben auch alle Kunden, die jährlich, halb- oder vierteljährlich ihre Beiträge zahlen, sofern der nächste Beitrag zum 1. Dezember 2012 fällig wird.“
Allerdings: Wer per Einmalbeitrag gezahlt hat oder jährlich, halb- oder vierteljährlich seine Prämie entrichtet und wessen nächster Zahlungstermin nicht auf dem 1. Dezember liegt, hat Pech gehabt. So ergeht es Georg H. Er und seine Frau haben seit fast 40 Jahren in Verträge bei Allianz und Ergo eingezahlt. „Laut Mitteilung der Allianz vom 1. April dieses Jahres stehen bei mir nicht garantierte Überschussbeteiligungen von 10 000 Euro“, sagt H. „Bei einem Anruf bei der Allianz wurde mir informell bestätigt, dass ich massive Verluste haben werde und bei sofortiger Kündigung mehr bekommen würde.“ Doch H. kommt bei der vierteljährlichen Zahlungsweise, die nicht auf den 1. Dezember fällt, nicht rechtzeitig aus dem Vertrag.
Bei der zum Generali-Konzern gehörenden Aachen-Münchener gelten andere Regeln. Nur bei Verträgen, die nach dem 1. Oktober 2010 abgeschlossen wurden und monatliche Beitragszahlung vorsehen, gilt der 30. November als letztmöglicher Kündigungszeitpunkt, um nach den alten Regeln an den Bewertungsreserven zu partizipieren. „Bei älteren Verträgen hängt es davon ab, ob das Versicherungsjahr am 1. Dezember begonnen hat oder endet“, sagte Sprecher Andreas Krosta.
Quelle: Financial Times Deutschland
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