Falsches Vorbild

Die steigende Lebenserwartung und die demographische Entwicklung bringen große Probleme für die Umlagesysteme in der Krankenversicherung. Deshalb ist es umso seltsamer, wenn dieses System als Modell für die Bürgerversicherung genommen wird.

Dr  Botermann groß 8 2008

Walter Botermann ist Vorstandsvorsitzender der Hallesche Krankenversicherung

© Hallesche

Seit vielen Jahren steigt unsere Lebenserwartung. Für den Einzelnen ist das meist ein Grund zur Freude, wenn nicht sogar zum Feiern. Mit Blick auf die gesellschaftlichen Auswirkungen des Älterwerdens, zum Beispiel für das deutsche Gesundheitswesen, vergeht einem die Feierlaune jedoch schnell. Professor Herwig Birg, ehemaliger Inhaber des Lehrstuhls für Bevölkerungswissenschaft an der Universität Bielefeld, bezeichnet den demografischen Wandel in Deutschland als „bestprognostizierte Krise“.Eine doppelte Krise für die gesetzliche Krankenversicherung: In der älter werdenden Gesellschaft haben immer mehr ältere Menschen Ansprüche auf Versicherungsleistungen im Umlageverfahren erworben. Junge und erwerbstätige Menschen müssen immer mehr Mittel für die Absicherung dieser Gesundheitskosten aufbringen. Die für die Mehrheit der Bevölkerung im Umlageverfahren finanzierte Gesundheitsversorgung gerät so ins Ungleichgewicht; die viel gepriesene Generationengerechtigkeit beginnt an ihre Grenzen zu stoßen.

Umso seltsamer ist es, dass ausgerechnet dieses System als Modell für die rot-grüne Bürgerversicherung herangezogen wird. Worin liegt denn der Vorteil einer Einheitskasse mit Umlageverfahren?

Dank der Alterungsrückstellung in der PKV muss die nächste Generation nicht für zukünftige Kosten von PKV-Versicherten aufkommen. Durch den hohen, weit über dem Marktanteil der Versicherten liegenden Finanzierungsbeitrag stabilisiert die PKV auch die Einkommenssituation von Ärzten und Krankenhäusern. Wer sich Einheitssysteme in Europa anschaut, stellt mit Erschrecken fest, wie schnell aus dem Einheitssystem ein echtes und finanziell selektierendes Zweiklassensystem geworden ist. Eine Zuteilung medizinischer Behandlungen in Abhängigkeit vom Wohlstandsniveau kann sich niemand ernsthaft für Deutschland wünschen.

Und wer der Meinung ist, eine Ausweitung des Umlageverfahrens durch die Einbeziehung der Privatversicherten stelle unser Gesundheitssystem auf stabile Beine, der schaut der Realität nicht ins Auge. Natürlich gibt es gut verdienende Privatversicherte, das kann niemand leugnen. Aber 78 Prozent der Privatversicherten haben ein Einkommen unterhalb der Versicherungspflichtgrenze.

Das ist nur ein Beispiel dafür, wie die PKV oft falsch beurteilt wird. So sind auch die angeblich extremen Beitragssteigerungen in der PKV überwiegend Einzelfälle. Die Deutsche Aktuarvereinigung hat berechnet, dass die Beitragsentwicklung in GKV und PKV im Schnitt der letzten zehn Jahre nahezu identisch ist. Der eklatante Unterschied ist auf der Leistungsseite zu beobachten. Die GKV hat ihre Kassenleistungen, etwa für Zahnersatz, deutlich reduziert – die PKV gibt jedoch eine lebenslange Leistungsgarantie in ihren einzelnen Tarifen.

Die Antwort auf die demografische Herausforderung liegt nicht in weniger, sondern in mehr Kapitaldeckung. Leistungsfähigkeit aufgrund höheren Einkommens muss zu einer Rücklagenbildung für die Gesundheitskosten im Alter führen. Der Starke muss herangezogen werden, damit auch die finanziell Schwachen eine medizinisch gute Versorgung erhalten. Eine Versorgung für die Gesundheitskosten im Alter muss durch eine Alterungsrückstellung für eine viel höhere Anzahl an Menschen gebildet werden.

Eins ist doch klar: Dank unseres flächendeckenden Netzes von Ärzten und Krankenhäusern können wir uns darauf verlassen, dass wir unabhängig von Versichertenstatus und Einkommen schnell und hochwertig medizinisch versorgt werden. Grundlage dafür ist die Dualität von GKV und PKV. Der Systemwettbewerb steigert die Qualität der Leistungen – wenn die Folgen der demographischen Entwicklung erkannt und nicht politisch negiert werden, nur weil das Ergebnis nicht passt.

 

Walter Botermann ist Vorstandsvorsitzender der Hallesche Krankenversicherung

 

Dieser Beitrag ist nur für Premium-Abonnenten vom Versicherungsmonitor persönlich bestimmt. Das Weiterleiten der Inhalte – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Bitte bedenken Sie: Mit einer von uns nicht autorisierten Weitergabe brechen Sie nicht nur das Gesetz, sondern sehr wahrscheinlich auch Compliance-Vorschriften Ihres Unternehmens.

Diskutieren Sie mit