Ärger über den Bundesrat

Die Versicherungsbranche ist sauer auf den Bundesrat, der die Gesetzesänderung zur Beteiligung der Kunden an den Bewertungsreserven vorerst gestoppt hat. Dabei hat schlicht die Lobbyarbeit der Versicherer versagt.

Mit heftiger Kritik hat der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) auf den Beschluss des Bundesrats vom 14. Dezember 2012 reagiert, zum Sepa-Begleitgesetz den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat anzurufen. Da der Ausschuss das nächste Mal nicht vor Ende Januar tagt, ist die zum 21. Dezember geplante Einführung der Neuregelung für die Bewertungsreserven zunächst hinfällig.

Das Sepa-Begleitgesetz regelt im Kern die Vorschriften für die Einführung des einheitlichen europäischen Zahlungsverkehrs (Single Euro Payments Area). An das Gesetz flanschte die Bundesregierung die Vorschriften an, die zur Einführung der Unisex-Tarife zum 21. Dezember – wie vom Europäischen Gerichtshof gefordert – nötig sind.

In letzter Minute schoben CDU/CSU und FDP noch eine weitere Gesetzesänderung in das Sepa-Gesetz, die mit dem Zahlungsverkehr nichts zu tun hat. Der Paragraph 56 des Versicherungsaufsichtsgesetzes sollte geändert werden und damit der bisherige Modus der Beteiligung der Kunden an den Bewertungsreserven – bei Niedrigzinsphasen wie heute sollten die Kunden deutlich weniger dieser Reserven bei Beendigung des Vertrags mitnehmen als bislang. Zur Begründung legte das Finanzministerium den Mitgliedern des Finanzausschusses ein Papier vor, das Probleme für einige Lebensversicherer ab 2018 vorhersagt.

Der Finanzausschuss beschloss entsprechend, das Plenum nickte die Änderung ohne Aussprache in der Nacht vom 8. November auf den 9. November 2012 ab.

Für diese Änderung gibt es gute Gründe. Tatsächlich führen die heutigen Regeln in Zeiten niedriger Zinsen zu Verwerfungen. Bislang müssen Versicherer Kunden bei Kündigung oder Ablauf der Verträge an den Bewertungsreserven in ihren Kapitalanlagen beteiligen. Bewertungsreserven, auch stille Reserven genannt, entstehen, wenn der Marktwert eines Wertpapiers über dem Buchwert liegt.

Heute haben viele Versicherer hohe Bewertungsreserven aus Staatsanleihen und anderen festverzinslichen Papieren. Das ist eine Folge der niedrigen Zinsen: Eine Anleihe aus dem Jahr 2004, die mit fünf Prozent verzinst wird und noch einige Jahre läuft, kostet heute mehr als bei ihrem Ankauf.

An diesen Bewertungsreserven werden ausscheidende Kunden bislang mit der Hälfte beteiligt. Die Assekuranz argumentiert, dass die Regel bei festverzinslichen Papieren unsinnig sei, weil sie die Gesellschaften zwinge, Papiere mit höheren Zinsen vorzeitig zu verkaufen – statt sie bis zur Fälligkeit zu halten und diese Zinsen für alle Kunden einzustreichen.

Zeichen gegen die Lobbyarbeit der Versicherer

Eine Änderung der Vorschrift kann also Sinn machen. Aber gerade in der CDU verärgerte das Vorgehen des Finanzministeriums viele Politiker. Auf Druck der Assekuranz hatte das Ministerium versucht, die Änderung still und leise durchzubringen. Die Folge wäre gewesen, dass Lebensversicherungskunden, deren Verträge kurz nach dem 21. Dezember ablaufen oder die ohnehin ihre Verträge kündigen wollten, viel Geld verloren hätten. Viele von ihnen hätten auch nicht mit einer vorzeitigen Kündigung reagieren können, weil die Zeit zu knapp war.

Deshalb gab es Proteste gegen das Gesetz und die Art und Weise, es in einer Nacht- und Nebelaktion zu beschließen. Am 5. Dezember nahm der CDU-Parteitag gegen den Willen der Parteiführung einen entsprechenden Antrag an. Das Finanzministerium sagte zu, per Verordnung Härten gegen Kunden abzustellen, die durch die Änderung viel Geld verlieren würden. Doch das reichte der Mehrheit im Bundesrat nicht: Sie setzte ein Zeichen gegen die Bundesregierung – und gegen die Lobbyarbeit der Versicherer.

Die Einführung der Unisex-Regeln liegt damit jetzt auch auf Eis, denn das gesamte Sepa-Begleitgesetz geht in den Vermittlungsausschuss. Allerdings ist das Unisex-Urteil des Europäischen Gerichtshofs dennoch gültig, sagte ein Sprecher des GDV: „Da gilt der Anwendungsvorrang des Europarechts.“ Deshalb könnten die Unisex-Tarife wie geplant zum 21. Dezember eingeführt werden. Schließlich seien die Unisex-Regeln nicht umstritten zwischen Bundestag und Bundesrat.

Quelle: Capital.de

 

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