Auf die Frage, wer Deutschland die kommenden vier Jahre regieren soll, haben Versicherungsmanager eine klare Antwort: Am liebsten Schwarz-Gelb. Vor allem die Ankündigung der Bürgerversicherung durch die Opposition sorgt dafür, dass CDU/CSU und FDP in der Assekuranz eine satte Mehrheit haben. Es kann sein, dass sie enttäuscht wird.
Deutschlands gefährlichster Politiker, so ein führender Versicherungsmanager im kleinen Kreis, sei ganz klar Jürgen Trittin. Er als Finanzminister würde eine „echte Bedrohung“ für den Standort darstellen, so der Vorstandsvorsitzende. Er dürfte sich der Unterstützung fast aller seiner Kollegen sicher sein. Ohnehin haben CDU/CSU und FDP mehr Unterstützer in den Topetagen der Branche als Grüne und SPD – obwohl es einige prominente Vorstände gibt, die das SPD-Parteibuch tragen.
Vor allem mit den Plänen für eine Bürgerversicherung haben SPD und Grüne die Mehrheit in der Versicherungswirtschaft gegen sich aufgebracht. Deshalb die Parole: Schwarz-Gelb muss auf jeden Fall die Wahl gewinnen, um das Schlimmste zu verhindern. Dabei fällt kaum ins Gewicht, dass viele Versicherungsmanager inzwischen ein ausgeprägtes Misstrauen gegen die CDU-Vorsitzende Angela Merkel entwickelt haben. Ihr werden ordnungspolitischer Opportunismus und mangelnde Prinzipientreue vorgeworfen.
Es gibt kluge Menschen in der Branche, die vor allzu viel Hoffnungen auf Schwarz-Gelb warnen. Denn die Probleme vor allem der Kranken- und Lebensversicherer werden durch den Wahlsieg nicht kleiner. Die Regierung wird kaum von ihrer Niedrigzinspolitik lassen. Und der Reformdruck in beiden Sparten wird auch unter einer Kanzlerin Merkel hoch bleiben.
Beispiel Krankenversicherung: Große Teile von FDP und CDU/CSU, einschließlich FDP-Gesundheitsminister Daniel Bahr, sind für die volle Mitnahme von Alterungsrückstellungen beim Wechsel zwischen PKV-Gesellschaften. Jeder Vorstand weiß, dass dies große Probleme für die Vollversicherung bringen würde. Bahrs Plan, allen Bundesbürgern die Wahl zwischen gesetzlicher und privater Versicherung zu ermöglichen, kann auch nicht im Interesse der PKV sein. Denn das ginge in Deutschland nur mit einem Annahmezwang und einem internem Ausgleich innerhalb der PKV. Das ist nicht weit vom niederländischen Modell oder der Bürgerversicherung entfernt – wenn denn die Bürgerversicherung von gesetzlichen Kassen und privaten Versicherern angeboten werden dürfte.
Beispiel Lebensversicherung: Im Wettkampf zwischen Banken und Versicherern um die Spargelder der Deutschen steht die CDU nicht unbedingt loyal auf Seiten der Versicherer, das ist bei der FDP vielleicht anders. Wenn es um die gleiche harsche Behandlung von Banken und Versicherern durch Aufsichtsregeln geht, kann die Assekuranz auch bei der heutigen Koalition ihrer Sache nicht sicher sein.
Es ist ironisch, dass die Versicherer in der Vergangenheit immer am besten mit der SPD in der Regierung gefahren sind. Irgendwie passt die Idee der kollektiven Sicherheit in die Vorstellungswelt der Sozialdemokraten. Nicht umsonst sind Walter Riester und Bert Rürup, die Namensgeber der staatlich geförderten privaten Vorsorgesysteme, Sozialdemokraten. Deshalb hat mancher Versicherer die heimliche Hoffnung, die Wahl möge eine große Koalition an die Macht befördern.
Gleich wie die Wahl ausgeht: Die Probleme werden um kein Jota kleiner. Und wenn die Versicherungsbranche ohne Blessuren überleben will, braucht sie kluge Pläne und Kompromissbereitschaft. Wer zum Beispiel glaubt, er könne die Änderung der Beteiligung von Kunden an den Bewertungsreserven einfach so durch Bundestag und Bundesrat winken lassen, ohne dafür etwas zu geben – etwa bei der Verteilung der Kosten- und Risikogewinne – hat sich verrechnet. Nach dem 22. September braucht die Branche kluge Diplomaten, keine Ideologen.
Herbert Fromme
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