Die Bundesbank beklagt ihre Schwächung durch Eichels Pläne – Ungeklärte Überwachung der Börsen. Von Doris Grass, Norbert Häring, Lucas Zeise, Frankfurt,und Herbert Fromme, Köln
Späte Genugtuung für erlittene Schmerzen in der Vergangenheit erhält das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAKred). Hans Eichels Plan, eine integrierte Allfinanzaufsicht in Form einer Anstalt öffentlichen Rechts zu schaffen, geht auf den im Sommer vorigen Jahres verabschiedeten Präsidenten des BAKred, Wolfgang Artopoeus, zurück.
Er und der jetzige BAKred-Präsident Jochen Sanio haben sich damit gegen das Ansinnen der Deutschen Bundesbank durchgesetzt, die Finanzaufsichtsbehörden unter ihrem Dach zusammenzufassen. In der Öffentlichkeit schien das BAKred schon deshalb immer die schlechteren Karten zu haben, weil sich die dem Finanzministerium untergeordnete Behörde öffentlich kaum frei äußern konnte. Ganz anders die unabhängige Notenbank. Ihr Präsident Ernst Welteke und der für Bankenausicht im Bundesbank-Direktorium zuständige Edgar Meister ließen keine Gelegenheit aus, um dafür zu werben, der Bundesbank die Kompetenz für alle Finanzfragen zuzusprechen.
Entsprechend verärgert kritisierte Edgar Meister Eichels Pläne noch am Tag ihrer Bekanntgabe. Der Finanzminister habe anscheinend die zuvor erklärte Absicht aufgegeben, die Bundesbank zu stärken, und arbeite nun auf ihre Schwächung hin. Meister befürchtet, andere Länder könnten dem deutschen Vorbild folgen: „Wenn das umgesetzt wird, werden auch andere Zentralbanken in Europa aus der Aufsicht herausgedrängt.“ Letztlich werde die Europäische Zentralbank geschwächt.
Sorge bereitet Meister auch Eichels Erklärung, wonach Mitarbeiter der Bundesbank der Bankaufsicht weiter zuarbeiten sollen. Die Bundesbank als Institution wolle man anscheinend nicht mehr einbinden.
Auch im Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe) treffen die Eichel-Vorschläge nicht auf Begeisterung. Offiziell nimmt die Behörde allerdings keine Stellung. Ihr Präsident Georg Wittich hat immer die Eigenständigkeit seines Hauses betont und mehr Durchsetzungskompetenzen gefordert. In der mit 140 Mitarbeitern kleinsten der drei betroffenen Behörden, die erst seit 1995 existiert, sieht man besondere Gefahr, unter dem Dach der neuen Anstalt an Einfluss zu verlieren. Zumal es zahlreiche Kompetenzüberschneidungen zwischen BAKred und BAWe gibt. Ungeklärt bei Eichels Konzept der Allfinanzaufsicht ist ferner die Länderhoheit über die Börsenaufsicht. Nicht das BAWe sondern die Landesregierungen sind bisher für die Genehmigung von Börsen und die Aufsicht über sie zuständig. Sie bestellen die amtlichen Kursmakler und überwachen die Ordnungsmäßigkeit des Börsenhandels.
Schicksalsgemeinschaft Das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (BAV) in Bonn und sein Präsident Helmut Müller nehmen zu Eichels Vorschlägen nicht offiziell Stellung. Aber Müllers Haltung ist eindeutig, er hat sie in zahlreichen Reden und Artikeln erläutert. Für ihn ist die entscheidende Frage, ob die Regierung die Unternehmen einer Finanzgruppe als „Schicksalsgemeinschaft“ betrachten will oder nicht. Ein Beispiel: Wenn ein Gruppenmitglied, etwa eine Bank, in große Schwierigkeiten kommt, müsste eine Mega-Aufsicht aktiv die Sanierung betreiben, indem sie die anderen Mitglieder, zum Beispiel Versicherungen, anhält, die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen.
Für Müller ist die integrierte Aufsicht nur sinnvoll, wenn ihr dieses Bild der Schicksalsgemeinschaft zugrunde liegt. Anderenfalls solle man die Finger von ihr lassen. Ein zügiger Informationsaustausch könne auch anders sichergestellt werden. Im November 2000 schlossen das BAV, das BAKred, das BAWe und die Bundesbank deshalb eine Vereinbarung über ihre Zusammenarbeit im Forum für Finanzaufsicht.
Im BAV, das im Juli seinen hundertsten Geburtstag feiert, ist man stolz auf die Geschichte. Seit 1929 die Frankfurter Versicherung zusammenbrach und von der Allianz übernommen wurde, gab es keine Versicherungskonkurse in Deutschland. Das heißt nicht, dass es keine Schieflagen gab – 1999 etwa waren drei Lebensversicherungen in finanziellen Schwierigkeiten geraten. Diese Fälle werden vom BAV meist geräuschlos abgewickelt. Das Amt sorgt dafür, dass Bestände notleidender Unternehmen von gesunden Versicherern übernommen werden oder Großaktionäre einspringen.
Seit der Liberalisierung des Versicherungsmarktes 1994 hat die Aufsicht keine Vollmacht mehr zur Tarifgenehmigung, soll aber dafür sorgen, dass die Versicherungen ihren Verpflichtungen gegenüber den Versicherten nachkommen können. Über das Ausmaß dieser Eingriffe gibt es regelmäßig Streit zwischen dem BAV und der Branche. Insgesamt haben die beiden aber ein gutes Verhältnis. Das wird auch daran deutlich, dass es eine ganze Zahl von Versicherungsmanagern gibt, die vorher im BAV ihr Brot verdienten.
Quelle: Financial Times Deutschland
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