Der große Umzug findet am 1. Juli statt. Mehr als 1000 der 2400 Mitarbeiter der Konzernzentrale der Münchener Rück müssen in einem der sechs Firmengebäude in der Stadt ein neues Büro beziehen, fast alle auch in anderen Funktionen. In der neuen Struktur der Gruppe ersetzt eine auf Verantwortung für die Regionen beruhende Ordnung die alte Matrix-Organisation, bei der es gleichzeitig eine fachliche Zuständigkeit und eine Regionalzuständigkeit gab. „Das ist die größte Umstellung dieser Art in der 120-jährigen Geschichte der Münchener Rück“, sagte Vorstandschef Hans-Jürgen Schinzler.
Die Mitarbeiter sollten sich an das Leben auf einer Konzernbaustelle gewöhnen. In wenigen Jahren, so deutete Schinzler an, könnte sich die Münchener Rück eine ganz neue Struktur geben und eine Holding über die drei operativen Bereiche Rückversicherung, Erstversicherung und Asset Management setzen. Damit würde der Konzern die Konsequenz aus der Tatsache ziehen, dass er schon lange kein reiner Rückversicherer mehr ist, sondern ein diversifizierter Finanzdienstleister
In der Erstversicherung sieht Schinzler für die nächsten Jahre das größte Wachstumspotenzial. „Größere Akquisitionen in der Rückversicherung kann ich mir nicht vorstellen.“ Es komme höchstens der Kauf von Portefeuilles oder regionalen Unternehmen in Frage – zum Beispiel in der amerikanischen Lebensrückversicherung. Dagegen will die Münchener Rück den Auslandsanteil der Tochter Ergo von jetzt 18 Prozent bis 2006 „deutlich ausbauen“ und Versicherer kaufen – zum Beispiel in Süd-und Osteuropa.
In 2000 verbuchte die Gruppe in der Rückversicherung – bei der sich andere Versicherer gegen Großschäden und Katastrophen abdecken – 18,3 Mrd. Euro Einnahmen, eine Steigerung von 19,2 Prozent. Veränderte Wechselkurse trugen maßgeblich zu diesem Wachstum bei. In der Erstversicherung, die unmittelbar mit Kunden Geschäft macht, kam sie auf 14,4 Mrd. Euro, ein Plus von 6,8 Prozent. „Die Erstversicherung wird in den nächsten fünf Jahren stärker wachsen“, erwartet Schinzler. Bisher wird der ganze Konzern aber vom Vorstand der einen Seite – der Rückversicherung – geführt, die nur noch für 54 Prozent des Umsatzes verantwortlich ist. Ergo-Chef Lothar Meyer sitzt nicht im Konzernvorstand. Dafür führt Schinzler gute Gründe an: in erster Linie die Befürchtung, die Kunden der Rückversicherung (und Konkurrenten der Ergo) könnten sich an einem Vorstand aus beiden Seiten stoßen. Schließlich hat ein Rückversicherer Zugang zu den sensibelsten Daten seiner Kunden. „Wir haben eine deutliche und strikte Trennung des Erst-und Rückversicherungsgeschäfts“, sagte er. Auch steuerliche Gründe sprächen zurzeit gegen die Gründung einer Holding.
Die merkwürdige Wirkung dieses Ungleichgewichts der Gruppenstruktur zeigt sich in der gegenwärtigen Umstrukturierung des deutschen Finanzgewerbes, bei der die Allianz die Dresdner Bank übernimmt und die Münchener Rück enger an die HypoVereinsbank (HVB) heranrückt. Bei dieser großen strategischen Maßnahme geht es der Münchener Rück ausschließlich um die Zukunft ihrer Erstversicherung. Der Konzern erhofft sich eine deutliche Stärkung der Verkaufskraft über die Verzahnung mit der Hypo Vereinsbank. Schinzler will die Entflechtung des Bankvertriebs mit der Allianz schnell abschließen. Bisher verkauft die Dresdner Bank noch für die Ergo-Gesellschaft Hamburg-Mannheimer und die Allianz in bestimmten Regionen für die Hypo Vereinsbank.
Der Ertragseffekt der Partnerschaft sei bedeutend, eine Übernahme der HVB aber nie geplant gewesen. „Für uns ist die Partnerschaft die richtige Aufstellung“, sagte Schinzler.
Im alten Kerngeschäftsfeld Rückversicherung sieht Schinzler deutliche Zeichen einer Marktverbesserung. Im Jahr 2000 musste der Konzern aber noch eine so genannte Combined Ratio – der Prozentsatz aus Schäden und Kosten gemessen an Beitragseinnahmen – von 115,3 Prozent in der Schaden-und Unfallrückversicherung hinnehmen.
Für 2001 hofft die Münchener Rück auf 107 bis 108 Prozent, eigentlich will sie unter 105 Prozent kommen. Um das Defizit auszugleichen, verkaufte die Münchener Rück in großem Stil Aktien und konnte daraus Gewinne von 6,6 Mrd. Euro verbuchen, nach 1,7 Mrd. Euro im Vorjahr.
www.ftd.de/muenchener-rueck .
Quelle: Financial Times Deutschland
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