Jahrelang hatte Allianz-Chef Henning Schulte-Noelle sich deutlich gegen die Übernahme einer Bank ausgesprochen. Zweimal hatte die Allianz im letzten Jahr gescheiterte Fusionsversuche der Dresdner Bank begleitet. Jetzt muss Schulte-Noelle möglichst überzeugend begründen, warum der Kauf der Bank durch die Allianz plötzlich richtig ist. Er muss außerdem erklären, warum der Konzern in anderen Ländernkeineswegs ähnliche Pläne verfolgt, sondern weiter auf bewährte Kooperationen mit Banken setzt.
Argumentationshilfe liefert Arbeitsminister Walter Riester. Der Altersvorsorgemarkt in Deutschland werde sich, angeregt durch die Riester-Reform, von 350 Mrd. Euro jetzt auf 760 Mrd. Euro in 2010 mehr als verdoppeln, sagte Schulte-Noelle. Außerdem steige die Nachfrage nach Aktien und Anlageberatung. „Die Banken sind dabei in der Pole Position.“ Eine einfache Kooperation reiche nicht mehr aus. Nur durch eine Fusion könne die Allianz in den Fondsvertrieb über Bankschalter hereinkommen, nur so könne sie die Ertragspotenziale aus dem Verkauf von Altersvorsorgeprodukten nutzen, also die Gewinnmargen aus Vertrieb und Fondslieferung in der Gruppe behalten. Von einer Notübernahme nach gescheiterten Fusionsanläufen könne nicht die Rede sein.
Aus der Dresdner-Bank-Übernahme und der neu formierten Vertriebsstruktur erwartet die Allianz gewaltige Zusatzerträge. 2006 sollen sie 1,1 Mrd. Euro jährlich betragen, davon 825 Mio. Euro aus Wachstumseffekten, der Rest aus Einsparungen.
Von den Risiken der Übernahme sprach Schulte-Noelle nicht. Einen Vorgeschmack auf die künftige höhere Volatilität des Allianz-Konzernergebnisses lieferte Vorstandsmitglied Helmut Perlet. Am 2. April hatte die Allianz eine starke Ergebnisverbesserung für den Versicherungskonzern durch die Übernahme der drittgrößten deutschen Großbank angekündigt: Der Allianz-Gewinn pro Aktie sollte 2001 ohne die Übernahme um 13 Prozent steigen, mit der Übernahme um weitere 13 Punkte, also um insgesamt 26 Prozent. Gestern sprach Perlet von einer Verbesserung durch die Dresdner Bank um nur noch zwei Punkte auf 15 Prozent. Die Quartalszahlen der Bank seien schlechter ausgefallen als Anfang April erwartet, sagte Perlet.
Mit der Übernahme der Dresdner will die Allianz eine Kernschwäche ausbügeln. Trotz großer Anstrengungen hatte sie im Fondsgeschäft mit Privatleuten bisher nur einen Marktanteil von 1,3 Prozent aufbauen können. Nur ein Drittel der Vertreter verkaufen auch Fonds. Jetzt erreicht die Allianz auf einen Schlag 15,9 Prozent des lukrativen Marktes, und ist damit schon in Reichweite der Sparkassen (19,4 Prozent) und der Deutschen Bank (20,6 Prozent). In der Lebensversicherung ist sie ohnehin Marktführer mit 15,1 Prozent. Die künftige enge Verbindung zwischen Bank und Versicherung können außer der Allianz nur noch die Sparkassen und Sparkassenversicherer aufweisen, die auf 11,2 Prozent Marktanteil in der Lebensversicherung kommen. Als Allfinanz-Anbieter sind sie die Hauptkonkurrenten.
Die Allianz will sich in Deutschland als „integrierter Finanzdienstleister“ und als Kapitalsammelstelle positionieren. Der Konzern hat dafür den Begriff des „Finanz-Coaches“ geprägt. Über drei Vertriebskanäle sollen die Kunden angesprochen werden: die Allianz-Agenturen, die im Herbst startende „Finanzplaner“-Organisation mit 1700 Beratern unter der Marke „Advance“, eng verzahnt mit der Online-Bank Advance, sowie die Filialen der Dresdner-Bank-Gruppe. Der von der Dresdner Bank geplante Börsengang der Advance findet nicht statt.
Rund 1000 Versicherungsexperten der Allianz werden als Bankreferenten in den Filialen der Dresdner Bank sitzen, die Bankmitarbeiter schulen und selbst Produkte verkaufen. Zudem entwickelt die Allianz Versicherungen, die speziell für den Bankvertrieb maßgeschneidert sind.
Die Allianz-Vertreter werden ihren Kunden Bankprodukte anbieten und neben Kreditkarten Konsumentenkredite und Standard-Bankprodukte verkaufen. Auch hier hilft die andere Seite mit Bank-Mitarbeitern bei den Agenturen: 300 Wertpapierberater werden die Vertreter im Vertrieb komplexer Produkte unterstützen. Beim Vertrieb von Lebensversicherungen in Bankfilialen erwartet die Allianz mindestens eine Verdreifachung des Lebensversicherungsgeschäftes über die Dresdner Bank auf 1,4 Mrd. ab 2006. Der Verkauf von Sachversicherungen über den Bankenkanal soll von heute Null auf einen Bestand von 175 Mio. 2006 klettern.
www.ftd.de/allianz
Das Kapital
Seite 21.
Quelle: Financial Times Deutschland
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