Branchenriesen preschen vor für kapitalgedecktes System. Von Ilse Schlingensiepen, Berlin
Mit Vorschlägen für die zukünftige Finanzierung der Krankenversicherung stellen die Versicherungsriesen Allianz und Münchener Rück das heutige System zur Disposition. Sie schaffen sich damit in der eigenen Branche wenig Freunde.
Die Töchter Vereinte (Allianz) und DKV (Münchener Rück) plädieren für die Umstellung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) von der Umlagefinanzierung auf die Kapitaldeckung. Statt wie bisher gesetzliche und private Versicherungen gäbe es dann einen einheitlichen Markt privater Unternehmen.
„Es ist falsch, sich auf dem Bestehenden auszuruhen“, begründet Vereinte-Chef Ulrich Rumm das Engagement auf diesem Terrain. Inzwischen sei wohl jedem klar, dass es angesichts von Bevölkerungsentwicklung und medizinischem Fortschritt mit der Umlagefinanzierung in der GKV nicht weitergehen könne. Die private Krankenversicherung (PKV) mit ihrem Kapitaldeckungssystem dürfe da die Hände nicht in den Schoß legen. „Wir sind Teil des Gesamtsystems. Wenn wir nicht selbst gestalten, werden wir gestaltet.“
In dem mit dem Gesundheitsökonomen Professor Klaus-Dirk Henke entwickelten individuellen Vorsorgemodell der Vereinten zahlen alle Versicherten ab 21 Jahren einen festen, einkommensunabhängigen Beitrag. In jungen Jahren bilden die Versicherten mit diesem Beitrag, den Henke auf monatlich 200 Euro veranschlagt, auch Rückstellungen fürs Alter. Wenn die Beiträge 15 Prozent des Haushaltseinkommens übersteigen, fließt staatliche Unterstützung. Sie wird nach Berechnungen Henkes jährlich 46 Mrd. Euro betragen.
Spätestens wenn sie diese Summe hören, die in der Umstellungsphase voraussichtlich noch deutlich höher ausfällt, schrecken Politiker vor dem Modell zurück. Man dürfe die Zahl nicht mit dem heutigen System vergleichen, sagte Rumm. „Wenn man alles so weiterlaufen lässt wie bisher, haben wir bald Sozialversicherungsbeiträge von 50 bis 60 Prozent und einen riesigen staatlichen Unterstützungsbedarf.“
Henke selbst bezeichnet das Modell als „Baustelle, an der viel zu tun ist.“ So ist bislang noch unklar, wie hoch die Beiträge tatsächlich sein müssen, um steigenden Kosten durch medizinischen Fortschritt Rechnung zu tragen.
Konkurrenten in der PKV sehen in dem Vereinte-Modell eine Gefahr: Ein solches System öffnet staatlichem Einfluss die Tür und führt zu Regulierungen, von denen die Branche bisher weitgehend verschont wurde, fürchten sie. Zudem werde die Position der PKV gegenüber der Politik erschwert. Denn die Branche kämpft für die Beibehaltung der so genannten Friedensgrenze, die festlegt, bis zu welchen Einkommensgrenzen Personen in die gesetzlichen Krankenversicherung gehören.
„Wir haben mit der GKV und der PKV jeweils äußerst erfolgreiche Systeme, um die wir international beneidet werden“, argumentiert Christoph Uleer, Direktor des PKV-Verbands. Da auch die privaten Versicherer Handlungsbedarf in der umlagefinanzierten GKV sehen, habe man ein Konzept für die schrittweise Weiterentwicklung erarbeitet. „Ein Plan, mit dem man den Gesetzgeber überzeugen könnte, ist das Vereinte-Modell nicht“, ist Uleer überzeugt.
Quelle: Financial Times Deutschland
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