Mit der Erhöhung der Versicherungssteuer um einen Prozentpunkt auf 16 Prozent hat Finanzminister Hans Eichel gestern Nachmittag die Assekuranz überrascht. Die Mehreinnahmen von rund 1 Mrd. DM sollen helfen, das Anti-Terror-Paket in Höhe von 3 Mrd. DM zu finanzieren. „Das ist völlig konzeptionslos“, sagte Bernd Michaels, Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und Chef der Provinzial Düsseldorf. „Ohne Frage ist die Verstärkung der inneren und äußeren Sicherheit ein vorrangiges Ziel. Aber das ist ein Ziel der gesamten Gemeinschaft, und darf nicht über eine Sondersteuer einer Gruppe aufgebürdet werden.“
Die Erhöhung kommt für die Versicherungsbranche zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt. Sie muss für Privatkunden, Gewerbe und Industrie dringend die Preise erhöhen. Die Verluste im operativen Versicherungsgeschäft konnten in den letzten Jahren durch Gewinne am Aktienmarkt ausgeglichen werden, diese Möglichkeit geben die heutigen Aktienmärkte nicht mehr her. Wenn aber ein Teil der Erhöhung direkt an den Staat geht, schmälert das die geplante Wirkung auf die Ergebnisse.
Die Versicherungssteuer werde nicht von der Assekuranz, sondern den Versicherungskunden aufgebracht, sagte er. Es sei schon merkwürdig, dass ausgerechnet diejenigen, die sich privat gegen Risiken absicherten, jetzt bestraft würden.
„Natürlich hat der Schutz vor Terror gerade im Augenblick absolute Priorität“, sagte ein Allianz-Sprecher. „Es darf aber die Frage erlaubt sein, ob es sinnvoll ist, die persönliche Sicherheit zu verteuern, um mehr öffentliche Sicherheit zu erreichen.“
Hans Dieter Meyer von der Verbraucherschutzorganisation Bund der Versicherten (BDV) wirkte resigniert: „Wir werden so oder so zur Kasse gebeten, zahlen müssen die Bürger dieses Programm ohnehin.“ Da werde wohl nur gedämpfter Protest gegen die Erhöhung laut. Meyer erwartet aber eine erneute Debatte um das System der Versicherungssteuer überhaupt. „Die Versicherung ist ja im wesentlichen eine Einkommens-Umverteilung, keine Produktion oder Dienstleistung. Wenn man darauf eine Steuer erhebt, könnte man auch Beträge besteuern, die per Giroüberweisung von einem Konto auf das andere gehen.“
Obwohl in der Regel nicht einer Ansicht mit Meyer, argumentieren die Versicherer ähnlich. „Wenn auf Versicherungsschutz wie auf andere Güter und Dienstleistungen Mehrwertsteuer erhoben würde, wäre nicht die Prämie, sondern die Wertschöpfung die Grundlage“, sagte eine GDV-Sprecherin. Die mache aber nur 20 bis 25 Prozent der Prämie aus, die Steuer dürfte also nur rund drei bis vier Prozent betragen.
Die Versicherungssteuer wird an Stelle der Mehrwertsteuer erhoben – funktioniert aber anders. Denn sie ist für Industrie und Gewerbe kein durchlaufender Posten.
Die Unternehmen können die von ihnen selbst auf Güter und Dienstleistungen gezahlte Mehrwertsteuer mit der im Auftrag des Staates von ihren Kunden kassierten Mehrwertsteuer verrechnen, oder bekommen sie direkt vom Finanzamt erstattet. Bei der Versicherungssteuer gilt das nicht, sie muss tatsächlich von den Unternehmen gezahlt werden.
In der Industrie wird seit langem über Ausweichstrategien nachgedacht. Der Versicherungseinkauf im Ausland ist dabei keine Alternative. „Die Steuer bestimmt sich nach dem Risikostandort. Wenn der in Deutschland liegt, wird Steuer fällig, auch wenn der Versicherer im Ausland sitzt“, sagte GDV-Chef Michaels. Manche Unternehmen denken aber verstärkt über eine Änderung ihrer Verträge mit Versicherungsmaklern nach. Bisher erhalten sie eine Provision vom Versicherer. Wenn ein Industrieunternehmen stattdessen dem Makler eine ähnliche Summe – beispielsweise 15 Prozent der Prämie – als Beratungshonorar zahlt und dafür die Police entsprechend billiger bekommt, entfällt die Versicherungssteuer auf die Provision. „Ich bezweifle, dass die Erhöhung um einen Prozentpunkt schon dazu führt, dass grundlegend neue Wege gesucht werden“, sagte Hans-Georg Jenssen vom Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler.
Quelle: Financial Times Deutschland
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