Von Herbert Fromme Versicherer gibt es überhaupt nur, weil es Schäden gibt. „Ohne Schäden keine Versicherung“, ist ein altes Branchenmotto, das Vorstände gerne zitieren, wenn Aktionäre oder Journalisten sich über hohe Schadenbelastungen wundern. Vor zwei Jahren, als die Preise für Industrie-und Rückversicherungen tief im Keller waren, hörte man von manchem Rückversicherer hinter vorgehaltener Hand, es müsse mal wieder so richtig krachen – „so etwa wie der Wirbelsturm Andrew“. Dann würde sich der Markt endlich drehen. Andrew hatte die globale Versicherungswirtschaft 1992 rund 20 Mrd. $ gekostet.
Dass es allerdings so heftig krachen würde, hat die gesamte globale Versicherungswirtschaft völlig überrascht. Sie hatte ihre Katastrophenszenarien: Eine oft durchgerechnete Variante war der Absturz eines Flugzeugs auf Manhattan mit entsprechenden Schäden an Gebäuden und Personen. Je nach Gesellschaft kamen Schadensummen von bis zu 15 Mrd. $ heraus. Jetzt muss die Branche mit mindestens dem Dreifachen fertig werden.
Was sie besonders aufschreckt: Fast alle Großschadenszenarien waren bisher von Naturkatastrophen als wichtigster Quelle von Megaschäden ausgegangen. Eine von Menschen absichtlich verursachte Katastrophe dieser Größenordnung hatte keiner auf der Rechnung.
Mit einem geschätzten Schaden von rund 2,3 Mrd. $ ist Warren Buffetts Investmentgruppe Berkshire Hathaway – zu der unter anderem die General Cologne Re und damit die Kölnische Rück gehört – unter den Hauptbetroffenen. Die Münchener Rück mit 1,9 Mrd. $ Nettoschaden und die Swiss Re mit 1,6 Mrd. $ gehören auch dazu, natürlich auch der Versicherungsmarkt Lloyd’s mit 2,8 Mrd. $ und die Allianz mit 1,3 Mrd. $. Insgesamt haben Rückversicherer und Erstversicherer bisher Schäden für eigene Rechnung in Höhe von 25 Mrd. $ angemeldet – immer unter der Voraussetzung, dass die eingeschalteten Rückversicherer auch wirklich zahlungsfähig bleiben.
In Deutschland sind vor allem Versicherer mit internationaler Präsenz betroffen, dazu gehören neben den Rückversicherern Unternehmen wie Allianz und Gerling. Aber auch mancher eher heimatverbundene Versicherer sah sich plötzlich mit Millionenschäden aus New York konfrontiert – so die Württembergische in Stuttgart und die Feuersozietät Berlin Brandenburg. Die ersten (und bestimmt nicht letzten) Opfer hat es auch schon gegeben, die Copenhagen Re gibt auf.
Warum wird der Schaden so teuer? In ihren Stellungnahmen nennen Betroffene zu Recht eine Reihe von Faktoren, dazu gehören die Nichtvorhersehbarkeit eines solchen Schadens und das amerikanische Rechtssystem mit seinen hohen Haftpflichtansprüchen. Hauptgrund ist aber, dass die Versicherer ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben – wie sie intern selbstkritisch feststellen. Sie haben Risiken gezeichnet, ohne deren Beziehungen zueinander richtig zu kennen. Zum Beispiel: Wegen des New Yorker Schadens stellen plötzlich die Dutyfree-Shops der US-Flughäfen hohe Ansprüche, um Verluste aus der sechstägigen Schließung ersetzt zu bekommen. Kein Versicherer hatte damit gerechnet, dass ein Schadenereignis gleichzeitig zu Ansprüchen aus Gebäudepolicen in Manhattan, Betriebsunterbrechungsversicherungen für Flughäfen in Miami und Haftpflichtansprüchen von Airlines führt. Und: Sie ließen sich zu niedrigen Preisen auf Bedingungen ein, die schwer zu kontrollieren sind. Das zeigt sich deutlich bei den ersten juristischen Auseinandersetzungen, vor allem wegen der Betriebsunterbrechung.
„Großkatastrophen wird es immer wieder geben“, stellt Warren Buffett fest. „Aber wir haben in unseren Preisen die Möglichkeit von durch Menschen erzeugten Megakatastrophen nicht eingerechnet, und das war einfach dumm von uns.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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