Verbraucherschützer vermuten abgesprochene Strategie der Assekuranz, um Grundsatzurteil zu vermeiden
Die Allianz Leben hat in einem richtungweisenden Schritt einem Kunden alle gezahlten Prämien plus sieben Prozent Zinsen zurückgezahlt, nachdem der Mann seine private Rentenversicherung nach 18 Monaten gekündigt hatte. Damit verhinderte der Versicherer eine Entscheidung des Amtsgerichts Hannover. Die Interessengemeinschaft Bund der Versicherten (BdV) vermutet, dass sich die Branche auf dieses Vorgehen geeinigt hat, um Zahlungen in Milliardenhöhe zu verhindern.
„Dieser Vorgang hat eine unvorstellbare Dimension“, sagt Hans Dieter Meyer, Geschäftsführer des BdV und ausgewiesener Versicherungskritiker. Seit 1994 habe die Branche etwa 15 Millionen Kapitallebens-und Rentenversicherungen verkauft und dafür Abschlusskosten aus Provisionen und Verwaltungsgebühren von fast 50 Mrd. DM kassiert. Meyer schätzt, dass etwa ein Drittel der Verträge bereits gekündigt wurde.
Auf den Abschlusskosten bleiben die Kunden sitzen. Denn die Unternehmen verwenden die Prämien der ersten Monate oder sogar Jahre zur Deckung der Abschlusskosten. Erst danach setzen sie das Geld zur Kapitalbildung für die spätere Auszahlung ein. Kündigt ein Kunde den Vertrag innerhalb dieses Zeitraums, erhält er das eingezahlte Geld höchstens zum Teil zurück.
Im vergangenen Mai erklärte der Bundesgerichtshof in zwei Urteilen allerdings gängige Vertragsklauseln über die Verrechnung der ersten Prämien mit den Abschlusskosten für unwirksam, weil sie dem Kunden mögliche wirtschaftliche Nachteile nicht deutlich vor Augen führen. Die Praxis selbst beanstandete der BGH allerdings nicht.
BdV-Mitglied Gerhard Honsbein hatte mit Hinweis auf diese Urteile gegen die Allianz Leben geklagt. Die eingezahlten Prämien in Höhe von 1830 DM wollte die Allianz Leben nach der Kündigung nicht herausrücken. Das Unternehmen teilte Honsbein mit, sein Vertrag sei „ohne Wert“ erloschen. Der Kunde zog daraufhin vor Gericht. Doch fünf Tage nachdem der Allianz Leben die Klage zugestellt worden war, erklärte sie sich zur Zahlung bereit. Weitere drei Tage später sandte sie dem Kunden einen Scheck über 1058,85 Euro – diese Summe enthält die gezahlten Prämien plus sieben Prozent Zinsen und die entstandenen Gerichtskosten. „Die Allianz hätte den Prozess mit Pauken und Trompeten verloren“, glaubt BdV-Chef Meyer: „Wir hätten gerne ein Verfahren gehabt.“ Doch habe die Allianz Leben sogar freiwillig die Zahlung der Zinsen und die Gerichtskosten übernommen, damit der Kläger nicht das Gericht zur Entscheidung über diese Kosten anrufen kann, vermutet Meyer.
Er glaubt, dass die Versicherer grundsätzlich auf diese Weise vorgehen wollen, um ein Grundsatzurteil zu vermeiden. Ohne Rechtssicherheit werden weniger Kunden – „ich schätze bis maximal 1000“ – um die Rückzahlung ihres Geldes kämpfen, fürchtet Meyer. Das wird die Versicherer nach seinen Schätzungen nur zwischen 5 und 10 Mio. DM kosten, die sie gerne investieren, um größere Flurschäden zu vermeiden. „Wenn es ein Urteil gäbe, ginge die Summe in die Milliarden.“
Die Allianz Leben bestreitet, dass hinter ihrer bereitwilligen Zahlung an Honsbein eine Strategie zur Verhinderung von Schlimmerem steckt. „Es gibt intern keine Regel, nach der immer ausgezahlt wird, um einen Musterprozess zu verhindern“, sagt ein Sprecher. In jedem Fall werde eine Einzelfallprüfung vorgenommen. Das Unternehmen sei an langfristig stabilen Vertragsverhältnissen und zufriedenen Kunden interessiert und wolle nicht ewige Rechtsstreite führen.
Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft weist die Vermutung von sich, dass die Branche sich darauf verständigt habe, auf jeden Fall eine gerichtliche Klärung zu vermeiden. „Es gibt keine abgesprochene Haltung, so zu verfahren, wie die Allianz verfahren ist“, sagt ein Sprecher.
Anja Krüger
Quelle: Financial Times Deutschland
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